Essay: Die digitalen 80er
Die digitale Revolution: Zwei gravierende Einschnitte prägen die 1980er Jahre: Das digitale Zeitalter löst das analoge ab, und mit dem Start des TV-Musiksenders MTV beginnt eine neue Ära in der Ästhetik und Vermarktung von Popmusik – video killed the radio star…
von Ernst Hofacker
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Das digitale Zeitalter beginnt im August 1979, als mit BOP TILL YOU DROP das neue Album des US-Gitarristen Ry Cooder erscheint – es ist das erste, das digital aufgenommen wurde. Stolz vermeldet das Plattencover: „Bei dieser Form der Aufnahme kommt es zu keinerlei Qualitätsverlusten durch Überspielen und zu keinem zusätzlichen Rauschen oder Präsenz-Verlusten, die sonst durch das Mischen und Überspielen auf Band entstehen. Das Ergebnis: Die Musik klingt sauberer, klarer und transparenter.“
Vor dem CD-Player
Hören kann das allerdings niemand, denn digitale Player gibt es nicht. Noch nicht. Zu diesem Zeitpunkt arbeiten bereits Ingenieure an der Entwicklung eines neuen Tonträgermediums, das die inzwischen 30 Jahre alte Vinylplatte ablösen wird. Als die Compact Disc auf der Berliner Funkaustellung 1981 vorgestellt wird, sind auch dem Laien die Vorteile sofort klar: keine Laufgeräusche der Plattennadel, kein Rauschen, kein Kratzen. Und eine Speicherkapazität von 74 Minuten Musik, fast doppelt so viel wie bei der herkömmlichen Langspielplatte.
Zunächst läuft der Umsatz der neuen CDs und ihrer Abspielgeräte schleppend an, 1984 sind es gerade drei Millionen CDs, die in der BRD verkauft werden. Ab 1986 aber explodiert der Absatz, bereits 1988 liegt er in Westdeutschland bei 37,1 Millionen Stück. Eine weitere technische Neuerung ist aus der Welt des Popkonsums bald nicht mehr wegzudenken: Sonys Walkman, ein portables Kassettenabspielgerät mit Kopfhörern, wird nun zum Satussymbol junger Musikfans und zum Meilenstein auf dem Weg zur mobilen Allgegenwart der Musik.
MTV geht auf Sendung
Zur selben Zeit, als die CD 1981 auf der Funkausstellung zum ersten Mal von sich reden macht, wird in den USA eine weitere Neuerung installiert: Am 1. August 1981 feiert mit dem Music Television Network (MTV) der weltweit erste TV-Sender Premiere. Er widmet sich ausschließlich der Präsentation von Musikvideoclips – mit revolutionären Folgen für den Konsum und die Vermarktung von Popmusik. MTV wird zum wichtigsten Marktfaktor, die Promotionwirkung des neuen Senders ist bald schon unverzichtbar. Jeder dreht nun den Clip zur Single, und von Jahr zu Jahr werden die Filme anspruchsvoller inszeniert.
Eine Schlüsselrolle in der Entwicklung von MTV spielt das ehemalige Nesthäkchen der Motown-Familienband Jackson 5. Als Michael Jackson 1983 mit „Thriller“ einen 14-minütigen Film zum gleichnamigen Song präsentiert, ist nichts mehr wie zuvor: Jackson wird zum Superstar, seine Videos zum Maß der Dinge, und MTV schafft den Schritt vom Spartensender in den Mainstream. Dank MTV steigen nun Künstler wie Madonna, Bruce Springsteen, Whitney Houston, Prince und George Michael zu Weltstars auf.
Unendliche Farbpracht
Musikalisch ist das Bild so bunt wie nie: Unter dem Label „New Wave“ hat sich ein neuer Zweig des Mainstream gebildet, dessen Blüten mal synthetisch, mal romantisch, mal traditionell, mal futuristisch klingen. Seine Protagonisten heißen Elvis Costello, Madness, The Cure, Culture Club, Depeche Mode, The Human League, Duran Duran, Cyndi Lauper, Talking Heads und U2 – eine Aufzählung, die zwangsläufig unvollständig bleiben muss, allein schon weil „New Wave“ ein musikalisch alles andere als homogener Terminus ist.
Auch die deutsche Popszene erwacht in den 1980er Jahren aus dem Dornröschenschlaf. Man traut sich, es mal mit der eigenen Sprache zu versuchen und dabei auf eine gesunde Portion künstlerischen Dilettantismus zu setzen. Die Neue Deutsche Welle (NDW) mit Bands wie Trio, Fehlfarben, DAF und Ideal verebbt zwar bald wieder, bereitet aber das Feld für den anhaltenden Erfolg deutschsprachige Popkünstler wie Nena, Herbert Grönemeyer, Falco, Udo Lindenberg und die Kölschrocker von BAP.
► Übersicht Albumperlen: 50er bis 2000er
AC/DC
Back In Black, 1980
Als Bon Scott am 19. Februar 1980 gestorben war, schienen AC/DC am Ende. Mit dem neuen Sänger Brian Johnson jedoch spielte die Band Back In Black ein und landete den größten Triumph ihrer Karriere: Keine Gruppe verkaufte ein Album bis heute öfter, insgesamt 50 Millionen Mal. 1984 erinnerten AC/DC mit ’74 Jailbreak und alten, bis dahin nur in Australien veröffentlichten Songs noch einmal an Scott.
Lesen Sie hier den Legacy-Beitrag AC/DC wieder auf Vinyl
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Bruce Springsteen
The River, 1980
Er war zwar längst ein Star, bis in die Top Ten der Single-Charts aber hatte es Bruce Springsteen (*1949) noch nicht geschafft. Mit der Single „Hungry Heart“ vom Album The River änderte sich das: Der ursprünglich für die Ramones geschriebene Song, den der Boss dann selbst aufgenommen hatte, schaffte im Dezember 1980 Platz 5 in den USA. Bekannt geworden war Springsteen 1975 mit Born To Run.
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The Clash
Sandinista, 1980
Ein ziemlicher Brocken war es, den The Clash nach dem großen Erfolg von London Calling (1979) den Fans zu Weihnachten 1980 vorsetzten: Sandinista, das vierte Studioalbum der Band, war eine Triple-LP mit 36 Tracks. Das mit Dub- und World-Music-Elementen sowie Politparolen durchsetzte Werk verschreckte denn auch zunächst Kritik und Fans, gilt heute jedoch als Klassiker im Repertoire der Engländer.
Lesen Sie hier den Legacy-Beitrag The Clash: R-r-r-Riot In Paris
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Toto
Toto IV, 1982
Sie waren die Rache des unbekannten Studiomusikers an den großen Stars, in deren Schatten sie für gewöhnlich stehen: 1977 gründeten die Sessionmusiker Jeff Porcaro und David Paich mit Toto eine der erfolgreichsten US-Bands ihrer Zeit. Den Gipfel erreichten sie 1982 mit Toto IV und den Singles „Rosanna“ und „Africa“. Die ersten fünf Toto-Alben sind im Boxset Original Album Classics zusammengefasst.
Lesen Sie hier den Legacy-Beitrag Toto in der Reclam Musik Edition
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Eurythmics
Touch, 1983
Kaum jemand prägte die Popmusik der 1980er Jahre so sehr wie Annie Lennox (*1954) und Dave Stewart (*1952). Ab 1982 räumten sie als Eurythmics in den Charts ab, der Durchbruch gelang den Londonern mit Sweet Dreams (Are Made Of This) und dem gleichnamigen Hit. 1983 folgte Touch mit den Singles „Who’s That Girl“ und „Here Comes The Rain Again“. Bis 1990 blieb das Duo international erfolgreich.
Lesen Sie hier den Legacy-Beitrag Eurythmics: Peace Tour
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Stevie Ray Vaughan
Texas Flood, 1983
Als Stevie Ray Vaughan im Sommer 1983 mit Texas Flood zum ersten Mal von sich und seiner furiosen Gitarre hören ließ, wurde er praktisch über Nacht zum bis heute wohl letzten echten Popstar des Bluesrock. Sieben Jahre später war er tot: Am 27. August 1990 starb der Musiker bei einem Hubschrauberabsturz. Ein Jahr zuvor hatte er mit In Step das vielleicht beste Album seiner Karriere vorgelegt.
Lesen Sie hier den Legacy-Beitrag Stevie Ray Vaughan in der Reclam Musik Edition
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Paul Simon
Graceland, 1986
1986 veröffentlichte Paul Simon (*1941) mit Graceland ein Album, das seiner Zeit weit voraus war: Simon hatte die Songs in Südafrika mit einheimischen Musikern eingespielt und so den Trend der World Music um Jahre vorweggenommen. Der Erfolg gab ihm recht, Graceland wurde zum weltweiten Hit. 21 Jahre zuvor hatte der Musiker seine Karriere mit dem Soloalbum The Paul Simon Songbook begonnen.
Lesen Sie hier den Legacy-Beitrag Paul Simon: 25 Jahre Graceland
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Cyndi Lauper
True Colors, 1986
Sie prägte das Image des „Girlies“ – dabei war sie bereits 30 Jahre alt, als sie loslegte: Mit She’s So Unusual und den Welthits „Girls Just Want To Have Fun“ und „Time After Time“ schaffte Cyndi Lauper 1983 den internationale Durchbruch. Drei Jahre später legte sie mit dem erwachseneren True Colors nach und landete mit dem Titeltrack einen weiteren Volltreffer in den Singlecharts.
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Michael Jackson
Bad, 1987
Der unfassbare Erfolg von Thriller (1982) war nicht zu toppen – dennoch schaffte Michael Jackson (1958-2009) das fast Unmögliche und hielt mit seinem 1987er Album Bad das schwindelerregende Niveau des Vorgängers. Bad stellte sogar einen Rekord auf: Zum ersten Mal schafften es fünf Singles aus einem einzigen Album auf Platz eins in den USA. Erst Katy Perry konnte diesen Rekord 2010 einstellen.
Lesen Sie hier den Legacy-Beitrag Michael Jackson: Dangerous World Tour ’92
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George Michael
Faith, 1987
Kaum jemand hatte dem Sänger des UK-Teenpop-Duos Wham! so etwas zugetraut: 1987 startete George Michael (*1963) mit dem selbstproduzierten und -geschriebenen Debüt Faith solo durch – ein Sensationserfolg, der mit großartigen Songs, neben dem Titeltrack „I Want Your Sex“ und „Father Figure“, sowie perfektem Soundstyling überzeugte. Fast ebenso gut: Listen Without Prejudice, Vol. 1 von 1990.
Lesen Sie hier den Legacy-Beitrag George Michael: Faith reloaded
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