Jul
24
2011

ABSCHIED VON AMY WINEHOUSE

Es war vorauszusehen, und doch kam die Nachricht überraschend: Am 23. Juli wurde die britische Soulsängerin Amy Winehouse tot in ihrer Londoner Wohnung aufgefunden. 
von Ernst Hofacker

Vom ersten Moment an war sie anders. Das Personal des internationalen Popbetriebs ist heutzutage perfekt gestylt, versteht etwas von Marketing, weiß sich öffentlichkeitswirksam zu inszenieren und reüssiert in aller Regel mit professionell gestylten Musikproduktionen, die niemandem weh tun. Amy Winehouse passte da nicht wirklich rein. Ihre Outfits, ihre zu monströsen Bienenkörben getürmten Sixties-Frisuren und ihre grell-düstere Schminke überschritten oft genug die Grenze zur Scheußlichkeit. Karrierechancen wie das Angebot, die Titelmelodie des letzten James-Bond-Streifens zu singen, vermasselte sie fahrlässig, und ihre weidlich kolportierten öffentlichen Abstürze waren alles andere als kalkuliert. Selbst ihr Publikum stieß sie vor den Kopf, wie bei jenem traurigen Auftritt vor wenigen Wochen in Belgrad, der ihr Comeback einläuten sollte, aber nur den erbarmungswürdigen Zustand einer jungen Frau offenbarte, die ganz offensichtlich am Boden war.

Begonnen hatte das hochtalentierte Mädchen in einer Musikschule für Hochbegabte und als Sängerin in Jazzbands. 2003, gerade 19-jährig, debütierte sie mit dem großartigen „Frank“, einem Album, das noch etwas unentschlossen zwischen dem Jazzerbe Billie Holidays und zeitgenössischem R&B pendelte, aber bereits das Riesentalent der Sängerin offenbarte. Für „Back To Black“ (2006) schuf Produzent Mark Ronson ein retrofreudiges Soul-Ambiente, das luftig-locker groovte und gleichzeitig genügend Raum und Tiefe für die Abgründe bot, an denen Winehouse bereits da entlang zu balancieren schien. Songs wie das düstere Titelstück, die Hitsingle „Rehab“ und diese Stimme, die in jungen Jahren bereits allen Schmerz der Welt zu kennen schien, ließen ahnen, dass da jemand litt. Als sich dies dann – trotz fünf Grammies und Millionen verkaufer Platten – in einer schier endlosen Reihe von Meldungen über derangierte Auftritte, private Probleme und alkohol- beziehungsweise drogenbedingte Abstürze bestätigte, hoffte man, dass sie die Kurve noch irgendwie noch kriegen würde. Sie hat es wohl versucht, aber nicht geschafft.

Am Samstagnachmittag wurde der Rettungsdienst zu Amy Winehouses Wohnung im Londoner Norden gerufen, der Notarzt konnte jedoch nur noch ihren Tod feststellen. Über die Todesursache soll eine Obduktion Aufschluss geben. Die wohl beste Soulsängerin ihrer Generation wurde nur 27 Jahre alt – wie Robert Johnson, Jimi Hendrix, Janis Joplin und so viele andere Ikonen der populären Musik.