Nov
19
2020

JOHNNY CASH & THE ROYAL PHILHARMONIC ORCHESTRA

Johnny Cash at Wembley

KLASSISCH, KÖNIGLICH, UNVERGESSEN

So hat man den “Man in Black“ noch nie gehört! Auf dem Album “JOHNNY CASH & THE PHILHARMONIC ORCHESTRA“ werden Song-Klassiker der Country-Legende im frischen Sound-Gewand präsentiert: Neue sinfonische Orchester-Arrangements zur Originalstimme von Johnny Cash – aufgenommen in den Londoner Abbey Road-Studios!

Text: Alex Gernandt

Bond! James Bond! “Ja, alles begann mit 007″, erinnert sich John Carter Cash, der einzige Sohn des großen Johnny Cash (1932 – 2003). “Als ich zehn Jahre alt war, nahm mich mein Vater mit zum New York Film Festival. Im Kino sahen wir drei James-Bond-Streifen. Als die Melodie von ‘Goldfinger’ ertönte, lehnte er sich zu mir rüber und flüsterte: ‘Mein Sohn, das ist das feinste Orchester der Welt, das Royal Philharmonic Orchestra!’ Ich war schwer beeindruckt.“ Und dabei wurde Cash Junior zum ersten Mal die Liebe seines alten Herrn zu klassischer Musik und Orchester-Sound bewusst.

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Jetzt, viele Jahre später, schließt sich posthum ein Kreis: Eben jenes legendäre Royal Philharmonic Orchestra spielte zwölf ausgewählte Songs aus dem Repertoire der Country-Ikone neu ein. Das vom Sony-Katalog-Label Columbia/Legacy Recordings veröffentlichte Album “JOHNNY CASH & THE ROYAL PHILHARMONIC ORCHESTRA” gibt es jetzt auf LP und CD sowie in digitaler Form.

SO HAT MAN DEN “MAN IN BLACK“ NOCH NIE GEHÖRT

Auf dem außergewöhnlichen Werk ist Cashs einzigartige Originalstimme zu hören und dazu die neue Vertonung des Orchesters, aufgenommen unter Leitung von Dirigent Steve Sidwell in den “heiligen Hallen“ der Abbey Road Studios in Westminster, London. Das Ergebnis: faszinierend! Johnny Cashs Klassiker in völlig neuem Soundgewand, eingespielt von den besten Klassikmusikern der Welt. So hat man den “Man in Black“ noch nie gehört! Die Idee dazu stammt von John Carter Cash, der hier als Executive Producer fungiert und sich an die Worte seines Vater damals im Kino erinnerte. Er hat das ganze Projekt begleitet und war für die Songauswahl, die Johnny Cashs Karriere widerspiegeln soll, verantwortlich. “Mein Dad war ja in bestimmter Weise sowas wie sein eigenes Orchester. Das tiefe Timbre seiner Stimme erinnert mich an Cello und Waldhorn (French Horns), seine Stimmlage und sein Volumen an eine perfekt dirigierte Sinfonie.“ Und weiter: “Wäre er heute hier und könnte sich ein Orchester für eine Zusammenarbeit aussuchen – das Royal Philharmonic wäre seine erste Wahl.“

Don Reedman, der das Album zusammen mit Partner Nick Patrick in Abbey Roads legendärem Studio 2 produzierte, sagt: “Ich glaube, wir haben die Emotionen und die Ehrlichkeit einfangen können, die Johnnys Musik inne wohnt. Sein Storytelling und seine Bass-Bariton-Stimme berührt bis heute. Dieser Sound, die Wärme, die Dramatik wird perfekt unterstrichen von den sinfonischen Arrangements von Robin A. Smith und dem Royal Philharmonic Orchestra. Die Arbeit an diesem Album war ein echtes Werk der Liebe und ich denke, wir konnten den Spirit und die musikalische Botschaft, die Johnny Cash zu so einem einzigartigen Künstler machte, einfangen. Es war uns eine große Ehre.“

Das Royal Philharmonic, dessen Hauptspielort die Londoner Cadogan Hall ist, ist bekannt für seine musikalischen Ausflüge in die Welt des Rock und Pop. Bereits 1969 spielte es zusammen mit den Hardrockern Deep Purple das damals bahnbrechende Album “CONCERT FOR GROUP & ORCHESTRA“ ein, auf dem erstmals Rock auf Klassik traf. Fußball-Fans hören das RPO, möglicherweise unwissentlich, aber regelmäßig bei Spielen der Champions League, wenn nämlich die UEFA-CL-Erkennungsmelodie erklingt… Außerdem spielte das Londoner Orchester Songs von Elvis Presley, Roy Orbison, Buddy Holly, Pink Floyd, Queen und ABBA ein sowie 1975 “THE ORCHESTRAL TUBULAR BELLS“ mit Mike Oldfield.

CASH GOES ROYAL – DIE SONGS

Die besondere Kollektion der Cash-Songs umfasst viele Highlights. Alle Stücke erhielten einen dermaßen frischen instrumentalen Touch, dass dem Hörer und Fan völlig neue Sound-Reize offenbart werden. Zu hören sind unsterbliche Klassiker wie “Ring Of Fire“ und “I Walk The Line“, Gospelsongs wie “A Thing Called Love“, “I Came To Believe“ oder “Farther Along“, “The Gambler“, das auch Kenny Rogers einst sang, sowie Duette mit seiner Frau June Carter Cash (“The Loving Gift“) und Bob Dylan (“Girl From The North Country“). Mit Dylan verband Johnny Cash eine jahrzehntelange Freundschaft, die auf gegenseitiger Bewunderung basierte. Als Johnny 1969 seine erste eigene TV-Show beim US-Sender ABC bekam, war Bob Dylan gleich in der ersten Sendung zu Gast. Beide standen beim Label Columbia Records unter Vertrag, schrieben gemeinsam Songs z.B. für das Dylan-Album “Nashville Skyline“, auf dem sie erstmals gemeinsam “Girl From The North Country“ sangen und während dessen Aufnahmen Dylan in Cashs Haus wohnte und dort für ihn den Song “Wanted Man“ schrieb, der auf dem Album “JOHNNY CASH AT SAN QUENTIN“ veröffentlicht wurde. Cash nannte Dylan “den größten Songwriter unserer Zeit“. Ende der Sechziger waren die beiden, die sich gegenseitig inspirierten, gar Nachbarn in New York. “Johnny Cash war und ist der Nordstern; du konntest dein Schiff nach ihm steuern – der Größte der Großen damals und heute“, so Dylan in einer Würdigung nach dessen Tod.

Das berührende “The Loving Gift“ ist ein Duett mit Johnnys Ehefrau June. Sie entstammte der Carter Family, dem berühmtesten Clan der Country-Szene. Die Musikerin hatte bereits den Song “Ring Of Fire“ mitkomponiert, der 1963 ein großer Hit für Johnny wurde und zu seinem wohl berühmtesten Song. Sie beschreibt darin Cashs problematische Alkohol- und Tablettenabhängigkeit und ihre verbotene Liebe zu ihm, denn Cash und Carter waren zu jenem Zeitpunkt noch mit anderen Partnern verheiratet, aber seit langem ineinander verliebt. Wegen Cashs Abhängigkeit hatte sich June erst geweigert, ihn zu heiraten. Im Februar 1968 nahm sie dann schließlich seinen Heiratsantrag an, den er ihr während eines Konzerts in Ontario, Kanada auf der Bühne gemacht hatte. Die Hochzeit fand am im März 1968 in Franklin, Kentucky statt. Sohn John Carter Cash kam am 3. März 1970 zur Welt. June verstarb im Mai 2003 kurz vor Johnny im Alter von 73 Jahren an den Folgen einer Herzklappen-Operation. 35 Jahre waren die beiden glücklich verheiratet. Bei ihrer Beerdigung saß Cash bereits im Rollstuhl, er litt seit 1997 an Parkinson. Zehn Tage nach Junes Tod sagte Cash, er müsse wieder ins Studio und weiterarbeiten: “Ich möchte Musik machen und arbeiten, so gut ich kann. Sie würde das wollen, und ich will es auch.“ Er verstarb am 12. September 2003 mit 71 Jahren im Baptist Hospital in Nashville an Lungenversagen. Die Ballade “The Loving Gift“ ist eine wunderbare Erinnerung an das Paar.

Mit “Galway Bay“, auch bekannt als “My Own Dear Galway Bay“, ist auf dem Album ein irisches Traditional vertreten, eine gefühlige Hommage an Irland, die Heimat von Johnny Cashs Vorfahren! In der Ballade wird malerisch eine große Bucht an der westlichen Atlantikküste Irlands besungen. Jene Bucht erfreut sich in der Popkultur großer Beliebtheit, Bing Crosby sang von ihr, ebenso John Lennon in “The Luck Of The Irish“, Sean Connery in “Darby O’Gill and the Little People“ sowie The Pogues und Kirsty MacColl in “Fairytale Of New York“.

Auf “Farther Along“, einem weiteren Gospel, ist Gitarren-Legende Duane Eddy (82) zu hören. Für ihn, der Cash sehr verehrte, ging damit ein Traum in Erfüllung. “In meiner Fantasie habe ich mir oft vorgestellt, in Johnny Cashs Band zu spielen“, verrät Duane in einem Interview. “Als Johnnys langjähriger Gitarrist Luther Perkins starb, der auch für den rhythmischen “boom-chicka-boom”-Sound mitverantwortlich war, hatte ich tatsächlich daran gedacht, Johnny anzurufen und ihn zu fragen, ob ich den Job in seiner Band haben könne. Ich hab’s gelassen, es schien mir zu anmaßend zu sein. Um so mehr freue ich mich jetzt über diese späte Chance…“

Zwei Songs der Platte – “I Walk The Line“ und “Flesh And Blood“ – sind für die Bearbeitung durch das Royal Philharmonic Orchestra mit Dirigent Sidwell insofern neu, als dass die Produzenten hierfür zwei bisher unveröffentlichte alternative Aufnahme-Takes nutzten. Cash hatte die beiden Songs um 1970 neu aufgenommen für seinen Soundtrack zum Film “I Walk The Line“ mit Gregory Peck und Tuesday Weld in den Hauptrollen.

Den krönenden Abschluß auf JOHNNY CASH & THE ROYAL PHILHARMONIC ORCHESTRA bilden The Highwaymen, jene Allstar-Country-Truppe, in der neben Cash auch die Country-Superstars Willie Nelson, Waylon Jennings und Kris Kristofferson spielten. Die vier Country-Outlaws hatten sich 1985 zusammengetan, um gemeinsam gegen die immer glatter werdenden Country-Pop-Produktionen aus Nashville zu rebellieren. Zu hören ist hier ihr Signature-Song und US-Nummer-1-Hit “The Highway Man“ von 1977 aus der Feder von Singer-Songwriter Jimmy Webb. Der ist voll des Lobes und sagt: “Ich liebe das Original der Highwaymen, aber als Arrangeur habe ich mich immer gefragt, wie es wohl mit einem richtigen Orchester und üppigen Streichern geklungen hätte. Dank der Neueinspielung kann ich jetzt sagen, es klingt absolut imposant.“

CASH LIEBTE EXPERIMENTE

Johnny Cashs Karriere erstreckte sich über rund 50 Jahre. Er galt als faszinierender Geschichtenerzähler, der über alle denkbaren Themen sang, von Glaube und Gott, vom Leben, von Sorgen, von der Liebe. Wie Elvis Presley, Jerry Lee Lewis oder Roy Orbison begann auch er in den Fünfzigern in den legendären Sun-Studios von Memphis, als vom Rockabilly inspirierter Sänger und wurde zu einem der einflussreichsten Country-Sänger und Songwriter Amerikas, dazu auch Schauspieler in verschiedenen Rollen (wenn auch nicht unbedingt oscarverdächtig). Er war bekannt für seine markante Bass-Bariton-Stimme und den sogenannten „Boom-Chicka-Boom“-Sound seiner Begleitband Tennessee Three sowie seine oftmals sozialkritischen Texte und breites musikalisches Spektrum von Country, Gospel, Rockabilly und Blues über Folk bis hin zu modernerem Alternative Country in späten Jahren.

Johnny Cash beschritt zeitlebens gern neue Wege, probierte, wagte Experimente. Legendär sind etwa seine einzigartigen Gefängniskonzerte im Folsom State Prison und San Quentin Ende der Sechzigerjahre, damals absolutes Neuland für Künstler, später in den 1990ern die ungewöhnliche Zusammenarbeit mit Rock- und Rap-Produzent Rick Rubin auf “AMERICAN RECORDINGS“.

Seine Zeit in der US Army hatte er von 1951 bis 1954 beim US Air Force Security Service im bayerischen Landsberg abgeleistet. Dort kaufte er sich eine billige Gitarre, schrieb Gedichte und erste Lieder und gründete mit Kameraden das Trio “The Landsberg Barbarians“, in Anspielung auf “Bavarians“, mit dem er sogar einige Auftritte in Clubs und Bars hatte. Wieder zurück in den USA kam er durch seinen älteren Bruder Roy in Memphis mit den Musikern Luther Perkins (Gitarre) und Marshall Grant (Bass) zusammen, den Tennessee Two (ab 1960 mit Drummer W.S. Holland dann Tennessee Three). Cash wurde neben Elvis Presley, Jerry Lee Lewis, Roy Orbison und Carl Perkins zu einem der hoffungsvollsten Talente des kleinen Labels Sun Records, bei dem er einen Vertrag erhielt. Er entwickelte den “Boom-chicka-Boom“-Sound, mit elektrischer Rhythmusgitarre, Stehbass und Cashs unverkennbarer Stimme. Mitte der 1950er nahm er Songs wie “Hey Porter“, “Folsom Prison Blues“ und “I Walk The Line“ auf, von denen letzteres auf dem neuen Album zu hören ist und das Cash damals über die Country-Szene hinaus im Popmarkt bekannt machte.

Sein Publikum zog der charismatische Storyteller mit seiner sonoren Stimme und unglaublicher Bühnenpräsenz in seinen Bann und erspielte und ersang sich den Respekt von Fans wie Kollegen gleichermaßen. Cash blieb der Countrymusik immer treu und widerstand den Verlockungen des modernen Rock’n’Roll. Progressiv, innovativ und experimentierfreudig blieb er trotzdem.

COMEBACK IN DEN NEUNZIGERN

In den Neunzigern gelang Cash nach einer Karriereflaute ein sensationelles Comeback dank Rick Rubin, jenem New Yorker Produzenten und Labelinhaber (DefJam Records), der eher für Rap- und Metal-Acts wie Beastie Boys, LL Cool J, Run DMC und Slayer bekannt war. Rubin gab Cash einen Plattenvertrag und nahm mit ihm Songs auf, die “American Recordings“. Für das erste gemeinsame Album machten die beiden viele Experimente. Zunächst wurde in Rubins Wohnzimmer ein Demoband nur mit Cash und seiner akustischen Gitarre produziert, dann arbeitete Cash mit verschiedenen Musikern zusammen, um herauszufinden, wie der „neue“ Cash-Sound klingen sollte. Schließlich entschieden Cash und Rubin sich für die minimalistische Version, wie sie auf dem ursprünglichen Demoband zu hören war – mit Erfolg! Die “American Recordings” fanden größten Zuspruch bei Kritikern und auch einem jungen Publikum.

Auch dieses brandaktuelle “Experiment“ mit dem Royal Philharmonic Orchester hätte Johnny ganz sicher gefallen! “Mein Vater kannte und schätzte die Musik des Royal Philharmonic Orchestras. Er hatte sein Leben lang großen Respekt für die Musiker“, sagt John Carter Cash. “Ich weiß, dass Dad sehr erfreut gewesen wäre, dass dieses Album jetzt Realität wurde. Und ich bin sehr stolz darauf, dieses Meisterwerk jetzt vorstellen zu dürfen: essentielle Songs von Johnny Cash mit dem Orchester, dass er so sehr geschätzt und verehrt hat.“

Mit seinen Songs machte sich Johnny Cash schon zu Lebzeiten unsterblich. In seiner atemberaubenden Karriere, die über fünf Jahrzehnte andauerte, durchlebte der begnadete Sänger, Gitarrist und Songwriter alle vorstellbaren Höhen und auch Tiefen. 500 Songs, 50 Millionen verkaufte Tonträger, 13 Grammys, Member der Rock & Roll- und Country Hall Of Fame – Johnny Cash ist bis heute eine amerikanische Ikone, in aller Welt verehrt, respektiert und geliebt. Die neuen eindrucksvollen Klassik/Cash-Aufnahmen des Royal Philharmonic Orchestra werden dazu beitragen, dass der “Man in Black“ ewig in Erinnerung bleibt, jener Mann, der nur vier Worte brauchte, um sich alle Aufmerksamkeit zu sichern: “Hello, I’m Johnny Cash…“