Wie Falco die Popmusik revolutionierte und dabei unsterblich wurde…
“Er war Superstar / Er war populär / Er war so exaltiert / Because er hatte Flair… Er war ein Virtuose / War ein Rockidol / Und alles ruft noch heute: Come and rock me… Amadeus!!” Diese Zeilen, dem großen Wolfgang Amadeus Mozart gewidmet, treffen auch genau auf den Mann zu, der sie vor 32 Jahren in einem seiner größten Hits rappte – Johann Hölzel, besser bekannt als Falco! Jetzt wäre der Ausnahmekünstler, der Anfang der 1980er im Alleingang den Deutsch-Rap erfand und die Popmusik revolutionierte, 60 Jahre alt geworden, hätte ihn das Schicksal nicht am 6. Februar 1998 bei einem Autounfall tragisch aus dem Leben gerissen. Sein “Sound of Musik” jedoch hat überlebt, wie auch das neue Album FALCO 60 mit all seinen Hits und neuen spannenden Remixen beweist!
Text: Alex Gernandt
Wien-Margareten, der 5. Gemeindebezirk. Eine Arbeitergegend. Hier wächst Johann Hölzel, der eines Tages als Falco Musikgeschichte schreiben wird, in bescheidenen Verhältnissen auf. Am 19. Februar 1957 um 13.15 Uhr beginnt in der Frauenklinik Gersthof sein ereignisreiches wie schicksalhaftes Leben. Schon seine Geburt verläuft dramatisch. Er überlebt als einziger von Drillingen!
Mutter Maria Hölzel arbeitet zu jener Zeit noch in einer Wäscherei, nach Johanns Geburt wird sie Hausfrau, um ganz für ihn da zu sein. Vater Alois, von Beruf Maschinenbauer, verlässt die Familie, als Falco zehn Jahre alt ist. Zu seiner Mutter hat Hans ein um so innigeres Verhältnis, das bis zu seinem Tod anhält. Sie ist bis zum Schluss seine wichtigste Vertrauensperson, sein “Lebensmensch”, wie er sagt – und sie unterstützt ihn in seiner Liebe zur Musik.
Musik fasziniert “Hansi” früh. Sein Plattenspieler und Scheiben von Elvis Presley, Cliff Richard, Bob Dylan und den Beatles sind sein wichtigster Besitz. Er lernt Gitarre und Bass, sein großes Vorbild wird Jaco Pastorius von der Jazzrock-Gruppe Weather Report. Dessen Credo verinnerlicht Hans: “Ich spiele Bass, als ob ich mit einer menschlichen Stimme spielte!”
Mit 17 gründet Hans seine erste Band Umspannwerk. Weil der Proberaum im Ort Kaltenleutgeben 15 km außerhalb von Wien liegt, kauft ihm seine Mutter vom Ersparten sogar ein Moped, damit er zu den Proben fahren kann.
Musik wird immer mehr zum Mittelpunkt im Leben des Hans Hölzel. Den überschaubar spannenden Job als Bürokaufmann bei der Pensionsversicherungsanstalt gibt er auf und wechselt zunächst zum Bundesheer, weil er nicht weiss, wohin. Danach folgen ein paar Semester Musikstudium am Jazz-Konservatorium. Zur gleichen Zeit ist er als Straßenmusiker in Wien-Mödling aktiv, als ihn eines Tages Wickerl Adam, ein Musiker-Urgestein vom 1. Wiener Musiktheater entdeckt: “Der Hans hat dort in Mödling gespielt, als wenn er im Madison Square Garden spielen würde, als stünde er vor tausenden Leuten – aber dort war niemand!”, erinnert sich Wickerl, der ihn daraufhin als Bassisten in seine Band Hallucination Company holt. Von Musikerkollegen wird Hans als bescheidener, ruhiger und umgänglicher Typ beschrieben. So war er wirklich. Seine bisweilen großkotzige Art und die übertriebene Arroganz, die er später als Superstar Falco an den Tag legen sollte, sind reines Image, eine Parodie auf das Establishment und Eigenschutz zugleich.
Aus Hans Hölzel wird Falco
1978 geht die Hallucination Company erstmals auf Tour. Hans tritt im Anzug, mit kurzen, gegelten Haaren auf – im totalen Gegensatz zu seinen langhaarigen Bandkollegen! Wickerl Adam: “Er hat Sex, Drugs und Rock’n’Roll gelebt im Versace-Anzug.” Eines Tages bittet er Bandboss Wickerl, ihn auf der Bühne nicht mehr als Hans Hölzel vorzustellen, sondern fortan als “Falco Gottehrer”! Etwas später wird der Name Gottehrer wieder gestrichen, Falco – nach dem von ihm bewunderten ostdeutschen Skisprung-As Falko Weißpflog – bleibt!
Neben der Hallucination Company wirkt Falco auch bei der Wiener Kultband Drahdiwaberl mit, die eine Mischung aus Rock, Klamauk und Politkabarett auf die Bühne bringt. Bandkollege Stefan Weber: “Der Falco hat überhaupt nicht zu uns gepasst, weil er schon damals ein Dandy war. Wir sind in Fetzen aufgetreten und er im Fiorucci-Pullover.” Die Konsequenz: Man trennt sich.
Falco auf den Spuren von David Bowie
Irgendwann in den späten 70ern wird Falco Wien zu eng und er zieht aus, die Welt zu erkunden. Die Faszination für David Bowie treibt ihn nach West-Berlin, weil Bowie zu jener Zeit in der Mauerstadt bei Edgar Froese von Tangerine Dream lebt, wo er einen kalten Entzug von harten Drogen macht. Bahnbrechende Platten wie LOW, HEROES und LODGER und Songs wie “Sound and Vision“ oder “Heroes“ veröffentlicht Bowie während dieser Zeit. “Bowie war mein Idol, ich wollte ihm begegnen”, sagte Falco, der als Kneipenmusiker in Berlin erfolglos bleibt.
Zurück in Wien, steigt er bei der Cover-Band Spinning Wheel ein, die Bee-Gees- und Rod-Stewart-Songs nachspielt. Dort beginnt Bassist Falco erstmals zu singen, den gecoverten Liedern verleiht er einen eigenen Touch. 1980 fängt er an, eigene Stücke zu schreiben – und sorgt gleich für einen ersten handfesten Skandal: “Ganz Wien” (englische Version: “That Scene”), das textlich von der harten Wiener Drogenszene handelt, kommt in Österreich prompt auf den Index und wird im Rundfunk nicht gespielt.
Der “Godfather des weißen Rap”
Markus Spiegel, Chef des Labels GIG Records, wird daraufhin auf Falco aufmerksam und nimmt ihn als Solokünstler für drei LPs unter Vertrag. Das Debüt-Album EINZELHAFT entsteht. Bereits im Herbst 1982 bahnt sich eine Sensation an, die niemand für möglich gehalten hat. Die Nummer “Der Kommissar” wird als Single veröffentlicht – so etwas hat man in unseren Breiten noch nicht gehört! Falco rappt den Text in einer Kunstsprache, einem eigenartigen Mix aus Wienerisch, Hochdeutsch und Englisch:
“Check it out Joe, ha / Two, three, four – eins, zwei drei – na, es is nix dabei / Ja, wenn ich euch erzähl’ die G’’schicht / Nichtsdestotrotz, ich bin das schon gewohnt / Im TV-Funk da läuft es nicht – jah…”
“Drah‘ di net um – oh, oh, oh / Schau, schau, der Kommissar geht um – oh, oh, oh / Er wird di anschau’n und du weißt warum / Die Lebenslust bringt di um / Alles klar, Herr Kommissar…?”
Falco wird damit zum ersten weißen Rapper der Musikgeschichte! “Der Kommissar” schießt auf Platz 1 in Österreich, gefolgt von Deutschland, Italien, Spanien und selbst Japan! In den US-Charts schafft er es immerhin bis Platz 72. Eine Riesensensation! Weltweit werden über sieben Millionen (!) Singles verkauft.
Über Nacht wird “der Falke” zum Star und ist plötzlich weltweit gefragt! Er reist durch die USA und Kanada, absolviert unzählige Clubgigs. Sein großer Traum scheint sich zu erfüllen. Doch der aufkommende Erfolgsdruck setzt ihm zu, Falco bekämpft ihn mit Alkohol. “Die Alkoholprobleme haben mit dem Erfolg, mit der Kohle begonnen”, bekennt er. “Wenn der Erfolg schneller wächst, als die Seele mitwachsen kann, hat man Probleme!” Diese Erfahrung wird er im Laufe seiner steilen Karriere noch wiederholt machen. Statt den Erfolg zu genießen, quält ihn die Angst, mit dem nächsten Album beim Publikum nicht mehr jene Anerkennung zu finden, die er sich erhofft. Und tatsächlich: Das Nachfolgealbum JUNGE ROEMER bleibt 1984 hinter den hohen Erwartungen zurück.
Nummer Eins in Amerika
Falco ist klar, dass sein nächstes Album über seine weitere Karriere entscheiden wird. Er unterzieht sich einem Imagewandel. Die Lederjacke und die Turnschuhe, mit denen er zu Beginn seiner Solokarriere auftrat, tauscht er gegen elegante Designeranzüge. Auch an seiner Körpersprache und Gestik arbeitet er. Alles wirkt jetzt gewollt übertrieben, gespielt – es ist seine Parodie auf das Establishment, was aber von vielen missverstanden und als pure Arroganz ausgelegt wird.
Sein neuer Manager Horst Bork vermittelt ihm im Sommer 1985 die holländischen Produzentenbrüder Bolland & Bolland. Im Studio in Hilversum entsteht ein Dreamteam. Zu dieser Zeit kommt der Hollywood-Film “Amadeus” von Milos Forman in die Kinos. Der Name Wolfgang Amadeus Mozart ist plötzlich wieder in aller Munde. Es ist die grandiose Idee der Bollands, Mozarts Leben in einem modernen Popsong zu verewigen. “Rock me Amadeus” entsteht. Es ist ein Song, der alle Maßstäbe deutscher Popmusik sprengt, eine Jahrhundertnummer:
“Er war Superstar / Er war populär/ Er war so exaltiert / Because er hatte Flair… Er war ein Virtuose/ War ein Rockidol/ Und alles ruft noch heute: Come and rock me… Amadeus!!”
Maßgeblich zum Erfolg von “Rock me Amadeus“ trägt auch das spektakuläre Video der Falco-Regisseure Rudi Dolezal und Hannes Rossacher bei, das mit aufwendiger Ausstattung im Wiener Schwarzenbergpalais gedreht wird. Die Single “Rock me Amadeus” geht durch die Decke. Es ist bis heute das einzige deutschsprachige Lied, das es in den USA auf Platz 1 der Charts schaffte. Doch als Falco die Sensationsnachricht aus Amerika erhält, wird er nachdenklich anstatt vor Freude in die Luft zu springen: “Es macht mich traurig, weil ich weiß, dass ich so einen Erfolg nie mehr schaffen werde!” Das ist typisch Falco!
Mit dem Album FALCO 3 und deutlich kommerziellerem Sound gelingt dem damals 29jährigen endgültig der internationale Durchbruch, die folgende Tournee wird zum Triumphzug. Seinen weltweiten Nummer-eins-Hit rockt Falco bei Konzerten in roter Fantasie-Uniform, dazu trägt er weiße Tennisschuhe. Nach den Hits “Vienna Calling” und “Männer des Westens” sorgt Falco mit der nächsten Single erneut für Schlagzeilen: “Jeanny” wird zum Riesenskandal! Die Medien unterstellen ihm, in dem Song über ein 19jähriges Mädchen Gewalt und sexuellen Missbrauch zu verherrlichen – und boykottieren daraufhin die Single samt Videoclip. Falco versteht die Welt nicht mehr. Doch der Medienrummel bewirkt das Gegenteil, es befeuert die Verkaufszahlen, “Jeanny” wird zum Megahit.
Verloren im Erfolg
Der anhaltende Erfolg, der damit verbundene Erfolgsdruck und Probleme im Privatleben zehren an Falcos Gesundheit. Fatalerweise glaubt er, die Krise mit Alkohol, Tabletten und Drogen bewältigen zu können. Auch mit seinem plötzlichen Reichtum hat Hans Hölzel, der aus kleinen Verhältnissen stammt, seine Probleme.
Er rafft sich jedoch auf und produziert mit Bolland & Bolland das vierte Album EMOTIONAL mit Hits wie “Coming Home (Jeanny Part 2, ein Jahr danach)” und “The Sound of Musik”, das eine Hommage an all seine Helden ist, die er im Songtext feiert: Elvis und “Jailhouse Rock”, Lennon & McCartney, Bob Dylan, James Brown, Otis Redding, Pavarotti und natürlich Rap mit einem “Rapper’s Delight”-Zitat der Sugarhill Gang! Diese grenzenlose musikalische Vielfalt lässt Falco in seinen einzigartigen Sound einfließen. Es macht ihn so besonders!
1987 flirtet Falco mit Hollywood – mit der platinblonden Amazone Brigitte Nielsen (“Red Sonja”, “Beverly Hills Cop II”, “Rocky IV”) nimmt er das Duett “Body next to Body” auf, produziert von Giorgio Moroder. Doch die Nummer floppt. “Mit der Nielsen wollte ich nicht in die Charts, sondern ins Bett”, gibt er damals unverhohlen zu.
Dann wird es still um Falco. Er braucht eine Auszeit, um all das Erlebte und Erreichte zu verarbeiten. Endlose Tourneen haben ihn physisch wie psychisch ausgelaugt, das Zerwürfnis mit den Hitproduzenten Bolland & Bolland nach dem Misserfolg des Albums WIENER BLUT (1988) und private Enttäuschungen ihm schwer zugesetzt. Immer wieder quälen ihn Selbstzweifel. Das Ergebnis des nächsten Albums DATA DE GROOVE (1992) fällt enttäuschend aus.
Comeback mit “Koks”
1995 dann das Comeback mit neuem Sound unter dem Pseudonym “T>>MA“ (“Thema“). Die Single “Mutter, der Mann mit dem Koks ist da” ist eine Techno-Version eines Alt-Berliner Gassenhauers aus den 1920er Jahren. Falco spielt im Text dieses Liedes provozierend mit der Doppelbedeutung der Worte Kohle und Koks. Bei seinem Auftritt 1996 in der Harald Schmidt Show, zu dem er eigens aus seiner neuen Wahlheimat, der Dominikanischen Republik einjettet, antwortet er, auf das Wetter dort angesprochen, augenzwinkernd: “In der Karibik schneit’s auch – aber anders…” – eine Anspielung nicht nur auf seine neue Single, sondern auch auf seine eigenen Drogen-Erfahrungen mit “Schnee”…
Der strapazierte Begriff von “Genie und Wahnsinn” kommt bei Falco voll zum Tragen: Als Musiker und Performer ist er hochtalentiert, ein absoluter Perfektionist, der seine Vision um jeden Preis verwirklichen will – aber auch ein Mann der Extreme, voller Gegensätze. Einer, der das Leben bis an seine Grenzen auskostet, alle emotionalen Höhen und Tiefen, Triumphe und Niederlagen durchlebt, immer nahe an der Selbstzerstörung.
Out of the Dark – into the Light
Am 6. Februar 1998 geht Falcos Reise jäh zu Ende. Mit seinem Wagen verunglückt er auf einer staubigen Straße bei Puerta Plata in der Dominikanischen Republik, die zu seiner neuen Heimat geworden war, weil ihm “der Winter, die Dunkelheit, die Kälte zu schaffen machten”. Unglücklich verliebt soll Falco zu jener Zeit auch gewesen sein. Um den Unfall ranken sich viele Gerüchte. Alkohol und Spuren von Kokain und Marihuana werden bei der Obduktion in seinem Blut gefunden, obwohl er seit gut zwei Jahren clean ist, wie sein Manager betont.
Falco ist erst 40, als er gehen muss: “Out of the Dark – into the Light”. Mit seinem tragischen Tod wird die Legende endgültig zum Mythos. Er ist bis heute unvergessen. Irgendwo da oben fliegt der “Falke” – hoch wie nie – weiter. Und hier unten hört man noch immer fasziniert seinen einzigartigen, zeitlosen “Sound of Musik”. Falco hat ihn uns dagelassen. The Spirit never dies…
Das Jubiläumswerk FALCO 60 widmet sich in unterschiedlichen Formaten in Bild und Ton der gesamten Karriere des österreichischen Popsuperstars:
FALCO 60 – Standard Edition (2CD):
Seine größten Hits sowie drei neue Remixe. Darunter “Vienna Calling” im neuen Soundgewand, für den der österreichische Ausnahmeproduzent und DJ Parov Stelar einen Remix kreierte. “Falco hat für Hans Hölzl Liebe gesucht und dabei unbeabsichtigt Österreichs zeitgenössisches Musikselbstvertrauen auf die nächste Stufe gehoben”, so Parov Stelar über sein Werk.
„Vienna Calling“ wurde ursprünglich 1985 auf “Falco 3” veröffentlicht und erreichte #18 in den US Billboard Charts, #3 in den Austria Top 40 und #4 in den deutschen Charts.
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FALCO 60 – Limited Premium Edition (3CD Box-Set):
Dieses umfangreiche Box-Set enthält alle großen Hits von Falco sowie einige bislang unveröffentlichte Versionen: neben dem Parov Stelar Mix weitere rare Mixe und Kollaborationstracks mit Opus, Curt Cress, den Bolland Brüdern, Brigitte Nielsen und Thomas Lang.
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FALCO 60 – Limited Edition (2 DVD):
Eine würdige Werkschau mit einem chronologischen Querschnitt durch das gesamte Werk des international erfolgreichen Österreichers. Diese DVD Box beinhaltet die größten TV-Momente aus den großen Shows (“Formel Eins”, “Wetten, dass…?!”, “ZDF Hitparade”) sowie teils unveröffentlichte Konzertaufnahmen und Falcos erstes Live-Konzert überhaupt! Damit umfasst das DVD-Set FALCO 60 das gesamte Spektrum von Falcos Fabulierkunst, seiner Fähigkeit, den jeweiligen Zeitgeist in griffige Rap-Reime und überraschende Melodien zu verpacken.
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FALCO 60 – Limited 2 LP Vinyl Edition (Yellow Vinyl):
Für Falco Fans und Vinylliebhaber ein echtes Must Have!
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