Jan
5
2011

WAECHETER-BLOG: PILZKÖPFE UND KNOLLENNASEN: BEATLES-COMICS

In zwei neuen, ganz unterschiedlichen Büchern werden die Beatles als Comicfiguren waechter_blogdargestellt. Auf einmal sieht eine eigentlich bekannte Geschichte ganz anders aus…

Von Johannes Waechter

Ihren vielleicht schönsten Auftritt als Comic-Figuren hatten die Beatles bereits 1966. In Asterix bei den Briten ist eine von Fans umjubelte Popgruppe zu sehen, die unzweifelhaft die Beatles darstellen soll; erkennbar sind sie vor allem am markanten Zinken des Drummers. Auch in US-Comics aus dieser Zeit (Spiderman, Batman) hatten sie Gastauftritte, viele dieser Hefte sind inzwischen sehr gesucht.

Daneben waren die Beatles seit den Sechzigern auch mehrmals die Hauptfiguren von Comics und graphischen Erzählungen. (Vielleicht erinnert sich auch noch jemand an das Beatles-Pop-Up-Buch, das Mitte der Achtziger erschien.) Kein Wunder eigentlich, wenn man Drama und Facettenreichtum ihrer Story bedenkt. Im vergangenen Herbst sind nun zwei neue Beatles-Comics erschienen: Baby’s In Black. The Story Of Astrid Kirchherr & Stuart Sutcliffe von Arne Bellstorf, das in der Hamburger Zeit der Beatles spielt; und Das kleine Beatles-Buch von Hervé Bourhis, eine Gesamtschau der Geschichte der Beatles in gezeichneter Form.

Bourhis, Jahrgang 1974, hat vor seinem Beatles-Buch bereits Das kleine Rockbuchveröffentlicht, eine Übersicht über die Geschichte der Rockmusik. Die Beatles sind für ihn historische Figuren, deren Geschichte es mit Akribie, Faktentreue und ein wenig Humor darzustellen gilt. Inhaltlich ist sein Buch auf der Höhe der Zeit. Er gibt sich nicht damit zufrieden, das alte Märchen von den vier Freunden aus Liverpool nachzuerzählen, sondern spricht die brutale Hackordnung innerhalb der Gruppe und andere dunkle Kapitel an. Auch enthält sein Buch neben den großen Linien etliche unterhaltsame Details, wie Lennons Leidenschaft für Kaviar, McCartneys Zusammentreffen mit John Wayne und Ringos Ehrung für das “schlechteste Album des Jahres”. So entsteht ein Buch, das allen Novizen (falls es die wirklich gibt) eine exzellente Einführung in den Beatles-Kosmos liefert, das aber auch langjährige Fans lesen können, ohne sich zu langweilen.

Graphisch hat das Buch einen hohen Wiedererkennungswert: Bourhis hat die Angewohnheit, Plattencover und Originalfotos abzuzeichnen, so dass man schon beim Durchblättern auf viele bekannte Bilder trifft. Dieses Material kombiniert er mit imaginierten Szenen und seinen Texten; alles wird auf verschachtelten, inhaltsreichen Seiten platziert, die man ganz genau lesen muss, um nichts zu verpassen. So sieht das Ganze aus:

Arne Bellstorf, Jahrgang 1979, hat einen ganz anderen Ansatz gewählt. Sein Buch Baby’s In Black handelt von der Liebe zwischen Astrid Kirchherr und Stuart Sutcliffe Anfang der Sechzigerjahre in Hamburg. Sutcliffe, damals der beste Freund John Lennons, war als Bassist der Beatles nach Hamburg gekommen, stieg dann jedoch aus der Gruppe aus, um bei Astrid Kirchherr zu bleiben und Kunst zu studieren. Noch bevor der Welterfolg der Gruppe begann, starb Sutcliffe am 10. April 1962 an einer Gehirnblutung.

Die Hamburger Jahre des Beatles üben auf viele – auch auf mich – eine gewaltige Faszinationaus. Hier wurden aus vier Liverpooler Jungs die Entertainment-Profis, die ab 1963 die Welt veränderten. Hier eigneten sie sich einen Großteil des umfangreichen Repertoires an, das die Grundlage für ihr Songwriting wurde. Und hier verpasste Astrid Kirchherr ihnen auch die Frisuren, die bald der Inbegriff der jugendlichen Rebellion wurden. Dennoch sind die Beatles in Bellstorfs Buch nur Randfiguren. Statt zum wiederholten Male ihre Eskapaden auf St. Pauli nachzuerzählen, konzentriert sich Bellstorf auf die tragische Liebesgeschichte von Sutcliffe und Kirchherr, die für ihn auch eine universell gültige Geschichte übers Erwachsenwerden ist.

Bellstorfs großer Trumpf ist nun, dass Astrid Kirchherr ihm persönlich bei dem Buch geholfen hat. Über einen Zeitraum von drei Jahren traf er sich immer wieder mit ihr und ließ sich einzelne Szenen und Gespräche aus ihrer Beziehung zu Sutcliffe schildern. Sein Buch hat zwar keinen dokumentarischen Anspruch und wurde Astrid Kirchherr auch nicht zur Endabnahme vorgelegt, dennoch dürfte es wesentlich näher an den damaligen Ereignissen sein als der Film Backbeat, der Mitte der Neunziger die Hamburger Zeit der Beatles behandelte. Ganz unabhängig von den künstlerischen Qualitäten ist das Buch also auch ein relevante Ergänzung zu den anderen wichtigen Büchern über die Frühphase der Beatles, wie zum Beispiel den Memoiren von Klaus Voormann, Horst Fascher und Pete Best sowie Pauline Sutcliffes Biographie ihres Bruders.

Kirchherr und Voormann fühlten sich damals als Existentialisten, Bellstorfs Stil passt gut dazu: Seine durchweg in schwarzweiß gehaltenen Zeichnungen sind klar und präzise, wenn es auch in seinem Hamburg stets Herbst zu sein scheint und oft Zigarettenrauch durch die Bilder zieht; der nüchterne Stil gibt von Anfang an einen Vorgeschmack auf das tragische Ende der Geschichte: In den relativ schematisch gezeichneten Gesichtern der Figuren werden die Emotionen nur angedeutet, mindestens ebenso viele Informationen liefert jedoch Bellstorfs Wahl der Hintergründe: ein Traumwald, ein schummriges Atelier. Und am Ende Schweigen.

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Johannes Waechter, 1969 geboren, stammt aus Berlin und war Mitte der Neunziger Musikredakteur der Berliner Stadtzeitschrift Zitty. Seit 1999 ist er Redakteur beim SZ-Magazin, wo er in den Jahren 2005 und 2006 zusammen mit Philipp Oehmke die Süddeutsche Zeitung Diskothek herausgegeben hat, eine 52-bändige Buch/CD-Reihe zur Geschichte der Popmusik. In diesem Blog geht es nicht nur um das derzeitige Popgeschehen, sondern vor allem um den großen Zusammenhang zwischen vergangener und aktueller Musik, inspiriert von Bob Dylans Worten: “It’s always good to know what went down before you, because if you know the past, you can control the future.”.