SOULMUSIKER SWAMP DOGG – SPÄTE REVANCHE EINES EINZELGÄNGERS
Neues von einem großen Unbekannten: Ein hervorragender Sampler gibt einen Überblick über das Werk des Soul-Exzentrikers Swamp Dogg.
Von Johannes Waechter
Im Rahmen meiner Möglichkeiten habe ich schon im vergangenen Sommer versucht, den Soulauteur Swamp Dogg anzupreisen; Anlass war damals sein Auftritt auf einem Festival in Rotterdam. Nun gibt es Neues aus seiner Welt zu vermelden: Beim englischen Wiederveröffentlichungslabel Kent, einem Sublabel von Ace Records, erschien kürzlich die CDIt’s All Good – A Singles Collection 1963-1989. “Essential stuff”, schrieb Uncut, und das ist auch meine Meinung.
Bei Kent hat man seit längerem ein Herz für Swamp Dogg. Fünf CDs mit von ihm als Sänger und/oder Produzent verantworteten Werken sind dort bisher erschienen, so wurde auch das von ihm produzierte Doris-Duke-Album I’m A Loser wiederveröffentlicht, wahrscheinlich das beste Deep-Soul-Album aller Zeiten. Auf It’s All Good widmet sich der Sammler und Soulkenner Tony Rounce nun den Singles von Swamp Dogg. Bei einem anderen Künstler hätte man so eine Sammlung Greatest Hits genannt, bei Swamp Dogg ist das leider nicht möglich – über Platz 32 in den R&B-Charts kam er nie hinaus.
Ein Grund für seine Erfolglosigkeit lag in seiner Exzentrik: Swamp Dogg ist einer der ganz wenigen Soulkünstler, der sich ausgiebig mit Humor und politischer Satire beschäftigt hat. Gerne würde man sagen, dass er damit seiner Zeit voraus gewesen sei, aber leider hat ihn die Soulmusik bis heute nicht eingeholt; trotz vieler Kontakte zu etablierten Sängern und Produzenten und trotz einiger Erfolge als Songwriter blieb er im Prinzip ein lebenslanger Solitär.
Im Booklet zeichnet Rounce mit großer Detailkenntnis Swamp Doggs Odyssee durchs Musikbusiness nach. Frappierend dabei, auf wie vielen Labels seine Platten erschienen: Offenbar hatte er das Talent, es sich schnell mit wichtigen Leuten zu verscherzen, denn meist hielten es die Firmen nur wenige Monate mit ihm aus. So sind die zahlreichen LPs, die er in den Siebzigern machte, alle auf unterschiedlichen Labels erschienen, und bei den Singles ist das Bild noch bunter. Erst als er Ende der Achtziger seine pompös betitelte S.D.E.G. gründete (Swamp Dogg Entertainment Group), wurden seine Verhältnisse etwas stabiler.
Bei solchen diskographischen Wirrnissen ist es kein Wunder, dass die aktuelle CD viele Songs enthält, die auch den Fan und Sammler überraschen dürften. Das gilt vor allem für mehrere ultra-obskure Singles aus den Sechzigern, als Swamp Dogg noch unter seinem Geburtsnamen Jerry Williams auftrat; darunter sind der Northern-Soul-Klassiker “If You Ask Me”, die Ballade “Baby You’re My Everything” und sogar Rock’n’Roll-Stücke wie “Hum Baby” und “She’s So Divine”. Doch auch seine bekannteren Stücke aus den Siebzigern sind enthalten, zum Beispiel “Wife Sitter”, “Mama’s Baby – Daddy’s Maybe” und “Synthetic World”.
Tony Rounce ist damit das Kunststück gelungen, eine CD zusammenzustellen, die den Swamp-Dogg-Neuling mitreißen dürfte, die aber auch den Kenner überrascht. Es scheint, als würde dieser lange verkannte Musiker nun endlich den Respekt bekommen, den er verdient.
Die CD “It’s All Good – A Singles Collection 1963-1989″ ist vor kurzem bei Kent erschienen und wird in Deutschland von Soulfood Music vertrieben.
Johannes Waechter, 1969 geboren, stammt aus Berlin und war Mitte der Neunziger Musikredakteur der Berliner Stadtzeitschrift Zitty. Seit 1999 ist er Redakteur beim SZ-Magazin, wo er in den Jahren 2005 und 2006 zusammen mit Philipp Oehmke die Süddeutsche Zeitung Diskothek herausgegeben hat, eine 52-bändige Buch/CD-Reihe zur Geschichte der Popmusik. In diesem Blog geht es nicht nur um das derzeitige Popgeschehen, sondern vor allem um den großen Zusammenhang zwischen vergangener und aktueller Musik, inspiriert von Bob Dylans Worten: “It’s always good to know what went down before you, because if you know the past, you can control the future”.