LEBENDIG BEGRABEN IM BLUES: JANIS JOPLIN
Am 19. Januar wäre Janis Joplin 68 Jahre alt geworden. Zu ihrem Geburtstag erscheint mit „The Essential“ eine Compilation, die das Vermächtnis der wohl eindrucksvollsten Stimme der frühen Rock-Jahre feiert.
Text: Ernst Hofacker
Vergessen ist sie nicht, auch wenn im Fall von Janis Joplin all die Kennzeichen des im Popbetrieb üblichen Totenkults fehlen: kein alle Jahre wieder neu aufgelegtes Gesamtwerk, keine pompös inszenierten DVD-Retrospektiven, weder cool designte T-Shirts noch sonstige Marketing-Gimmicks. Nicht mal unermüdlich tourende Tribute-Bands, die das Repertoire der Verblichenen lebendig halten würden. Vielleicht liegt’s ja daran, dass ihre Musik, der Blues, in unseren Tagen so tot scheint wie nie zuvor. Vielleicht aber auch taugte dieses komplexbeladene Mädchen aus dem texanischen Port Arthur ohnehin kaum je, weder in ihrer kurzen Karriere noch danach, zur romantisch verklärten Poster-Ikone. Das blieb den ebenfalls früh verblichenen Jim Morrison oder Jimi Hendrix vorbehalten.
Janis Joplin starb vor 40 Jahren, am 4. Oktober 1970. Gerade 27 Jahre war sie alt geworden, und nur vier Alben hat sie aufgenommen. Hits waren nicht dabei, lediglich das postum als Single veröffentlichte „Me And Bobby McGee“ schaffte es an die Spitze der US-Charts. Kultstatus erlangte das grandiose a-capella-Lament „Mercedes Benz“. Das dazugehörige Album „Pearl“ immerhin wurde vom Rolling Stone auf Platz 122 der „500 großartigsten Alben aller Zeiten“ gesetzt.
Wer sich Joplins Nachlass heute anhört, ist geradezu erschlagen von der nackten Emotionalität dieses Vortrags, der schieren Wucht dieser Stimme und der Sensibilität, mit der sie ihr Material formte. Anders als Hendrix und Morrison aber war sie erst auf dem Weg zum Gipfel ihrer Kunst. Ihre frühen Alben mit der Frisco-Band Big Brother & The Holding Co. waren noch nicht wirklich fokussiert und litten an der stellenweise schwachen Performance der Musiker. Ihr erstes echtes Soloalbum „I Got Dem Ol’ Kozmic Blues Again, Mama!“ (1969) war ein deutlicher Schritt vorwärts, längst aber noch nicht der große Wurf. Erst „Pearl“ bündelte ihr immenses Talent zur durch und durch überzeugenden, entschlackt und beseelt inszenierten Songsammlung. Ein großartiges Vermächtnis und der Auftakt zu einer Weltkarriere, die nicht mehr stattfinden konnte. Gegen Ende der Plattenproduktion starb Joplin in ihrem Hotelzimmer an einer Überdosis Heroin.
Auch als Urahnin der Frauenbewegung hinterließ Janis Spuren. Mit ihrem konsequenten Hedonismus, der sich nahm was er wollte, egal ob Whiskey oder Sex, definierte sie in den sechziger Jahren die Rolle der Frau in der Männerdomäne Pop neu. In ihrer Highschool war sie mal zum „hässlichsten Jungen der Schule“ gewählt worden. Eine von vielen Demütigungen, die sie als junges Mädchen wegsteckte. Und die sie antrieben. Janis trat den Beweis an, dass auch ein hässliches Entlein zum bewunderten Schwan werden konnte. Am Ende hatte sie’s allen gezeigt, und doch zerbrach sie. Ihr letzter, nicht mehr vollendeter Titel, auf „Pearl“ als Instrumental zu hören, sagt alles: „Buried Alive In The Blues“.
CD1
1 Down On Me
2 Coo Coo
3 Women Is Losers
4 Bye, Bye Baby
5 Ball And Chain
6 Roadblock
7 Piece Of My Heart
8 Misery’n
9 I Need A Man To Love
10 Summertime
11 Flower In The Sun
12 Farewell Song
13 Raise Your Hand
14 To Love Somebody
15 Kozmic Blues
CD2
1 Try (Just A Little Bit Harder)
2 Maybe
3 One Good Man
4 Little Girl Blue
5 Work Me, Lord
6 Tell Mama
7 Move Over
8 Cry Baby
9 A Woman Left Lonely
10 Half Moon
11 My Baby
12 Me And Bobby McGee
13 Mercedes Benz
14 Trust Me
15 Get It While You Can
16 Mercedes Benz – Remix