Apr
4
2011

WANN KLANG ELVIS PRESLEYS STIMME AM BESTEN?

Elvisisback1

Die LP Elvis Is Back! von 1960 ist ein Höhepunkt im Katalog von Elvis Presley. Die Wiederveröffentlichung dieses Albums wirft nun eine interessante Frage auf: Wie hat sich Elvis’ Stimme im Lauf seiner Karriere verändert? Wann sang er am eindrücklichsten??

Text: Johannes Waechter 

Dieses Foto entstand am 1. März 1960, bei Elvis’ Abschied aus Deutschland. Weniger als drei Wochen später ging er bereits ins Studio, um „Elvis Is Back!“ aufzunehmen.  

Die meisten Elvis-Fans werden wohl zustimmen, dass die LP Elvis Is Back! von 1960 zu seinen drei besten Alben gehört. (Meine anderen beiden Favoriten wären übrigens His Hand In Mineund From Elvis In Memphis.) Elvis war lange kein ausgesprochener Album-Künstler, und auch dann, als Gruppen wie die Beatles das Popalbum längst zur Kunstform erhoben hatten, erschienen von ihm noch Platten, die nach dem alten Strickmuster “Hits plus Füllmaterial“ zusammengestellt wurden. Mit Elvis Is Back! war er jedoch seiner Zeit voraus. Vor kurzem erschien dieses Album im Tandem mit Something For Everybody von 1961 in einer Legacy-Edition als Doppel-CD (Sony); Grund genug, sich etwas eingehender damit zu beschäftigen.

Elvisisback2

Die im Titel des Albums angesprochene Rückkehr bezieht sich natürlich auf Elvis’ Armeezeit. Im März 1958 war er eingezogen worden, sein Wehrdienst dauerte zwei Jahre, von denen er anderthalb in Deutschland verbrachte. Heute wissen wir, welchen Verlauf seine Karriere nahm, aber damals war die Meinung weit verbreitet, dass seine Karriere mit dem Eintritt in die Armee beendet sei, weil sich danach niemand mehr an ihn erinnern würde. Elvis selbst hegte diese Befürchtung, genauso wie seine Plattenfirma RCA, die während seiner Abwesenheit etliche vorsorglich schon früher aufgenommene Stücke veröffentlichte, um die Erinnerung an ihren Top-Star am Leben zu halten.

Eine weitere Befürchtung bezog sich auf seine musikalischen Fähigkeiten: Würde er nach anderthalb Jahren in einer hessischen Kleinstadt noch rocken können? Es scheint, als sei Elvis selbst an einer Klärung dieser Frage gelegen gewesen, denn schon drei Wochen nach seiner Rückkehr in die USA stand er in Nashville im Studio – nervös beäugt von einigen RCA-Vertretern und von seinem Manager, Colonel Tom Parker. Was die Herren zu sehen und zu hören bekamen, dürfte sie überzeugt haben: Der 25-jährige war besser denn je.

Greil Marcus hat Elvis’ Gesangsstil auf dieser Platte “pornographisch“ genannt – tatsächlich sind die Energie und Intensität, mit denen sich Elvis hier diversen Bluessongs widmet, nicht zu überhören. So bluesig wie auf Lowell Fulsom’s „Reconsider Baby“ klang er selten, und auch „Like A Baby“ – gerade von Wanda Jackson gecovert –, „Such A Night“ und „Dirty, Dirty Feeling“ sind heiß wie glühende Kohlen. Die Paradenummer des Albums ist aber natürlich “Fever”, hier zeigt sich erneut, dass Elvis das große Drama beherrscht wie kaum ein zweiter Sänger. Außerdem überrascht das Album durch die stilistische Bandbreite der Songs – Indiz dafür, dass Elvis in Deutschland viel geübt hatte, mit dem klaren Ziel, sich als Sänger weiterzuentwickeln.

Elvis Is Back! ist aber auch unter einem klanglichen Aspekt interessant: Es war das erste Elvis-Album, dass in „Living Stereo“ erschien, außerdem weist Stuart Colman im Booklet auf den Umstand hin, dass Elvis’ Stimme hier mit Telefunken-Röhrenmikros aufgenommen wurde: „Elvis had never sounded better“ resümiert er. Im Text auf der Rückseite der CD geht man sogar noch weiter. Dort steht über Something For Everybody: „Elvis’ voice on that LP may have sounded even better than it did the year before – possibly the best of his career.“

Im Herbst habe ich im Record Collector ein hochinteressantes Interview mit Ernst Mikael Jörgensen gelesen, der bei Sony für Elvis-Wiederveröffentlichungen zuständig ist und auch die Legacy-Edition von Elvis Is Back! betreut hat. Ausführlich äußert sich Jörgensen zu den Veränderungen von Elvis’ Stimme: „There’s no doubt in my mind that the voice of Elvis Presley in 1960 is a lot different to the voice of the 50s both in how he approaches rock and roll and R&B or how he does pop songs … there’s also the beauty and clarity of Elvis singing the gospel songs on His Hand In Mine and Something For Everybody. It’s still a very young and fairly high voice but obviously as he gets older during the 60s the voice gets darker … It’s very easy to judge the difference in his voice when you look at his comeback gospel album How Great Thou Art, which was recorded in 1966, six years after his hand in mine. His voice has a completely different tone … As for the ‘68 TV special, he came out in ‘68 with a voice that was even raspier and tougher than when he did the originals back in the 50s.“

Ob Elvis 1960/61 den besten Stimmsound seiner Karriere hatte, sei also einmal dahingestellt, sicher ist aber, dass es bei einem Ausnahmesänger wie ihm ausgesprochen lohnend ist, darauf zu achten, wie sich seine Stimme verändert hat und wie er mit diesen Veränderungen umgegangen ist.

Weitere Informationen zu „Elvis Is Back!“ finden Sie HIER.

waechter_blog_teaser

Johannes Waechter, 1969 geboren, stammt aus Berlin und war Mitte der Neunziger Musikredakteur der Berliner Stadtzeitschrift Zitty. Seit 1999 ist er Redakteur beim SZ-Magazin, wo er in den Jahren 2005 und 2006 zusammen mit Philipp Oehmke die Süddeutsche Zeitung Diskothek herausgegeben hat, eine 52-bändige Buch/CD-Reihe zur Geschichte der Popmusik. In diesem Blog geht es nicht nur um das derzeitige Popgeschehen, sondern vor allem um den großen Zusammenhang zwischen vergangener und aktueller Musik, inspiriert von Bob Dylans Worten: „It’s always good to know what went down before you, because if you know the past, you can control the future“.