SIMON LE BON VON DURAN DURAN IM INTERVIEW
“Wir sind auf der Rasierklinge balanciert” Mit ihrem neuen Album All You Need Is Now, produziert von Mark Ronson, knüpfen Duran Duran an ihre experimentelle Phase in den frühen Achtzigern an. Im Interview erkärt Sänger Simon Le Bon, was die Band seit über dreißig Jahren zusammenhält und wie sie Massenhysterie und Exzesse heil überstanden haben.
Von Johannes Waechter
Simon Le Bon, das neue Album von Duran Duran heißt All You Need Is Now. Wollen Sie sich von Ihrer Vergangenheit lossagen?
Nicht wirklich. Aber die Geschichte unserer Band hat schon etwas mit dem Titel zu tun. Als Künstler kann es dich einschüchtern, wenn du immer an die Vergangenheit denkst. Das ist, wie wenn man einen Berg hochklettert – da sollte man auch nicht runterschauen. Der Titel ist eine Metapher für unsere Karriere und für das Leben. Es geht darum, in der Gegenwart zu leben.
Warum gibt es Duran Duran nach über dreißig Jahren noch?
Das liegt am…
… Geld, Sex und Ruhm?
Außer Geld, Sex und Ruhm ist es vor allem die Tatsache, dass wir als Band gut zusammen funktionieren. Das Ganze ist bei uns sehr viel größer als die Summe der Einzelteile. Das haben wir erkannt, und wir fühlen uns dieser Einsicht verpflichtet. Außerdem wollen wir nicht zu Hause sitzen und im Fernsehen anderen dabei zuschauen, wie sie das machen, was wir selbst machen könnten.
Produzent Mark Ronson hat dem neuen Album einen überraschend kantigen Sound verpasst. Er passt gut ins Jahr 2011, erinnert aber auch an die Frühzeit von Duran Duran.
Ja, es ist unglaublich, wie er dieses Gleichgewicht gefunden hat. Ich kenne keinen anderen Produzenten, der das hinbekommen hätte. Als wir mit den Aufnahmen begannen, hat er gesagt: “Ich will kein Album mit euch machen, das so klingt wie das letzte oder das vorletzte. Ich will das Album machen, das ihr meiner Meinung nach 1983 anstelle von Seven And The Ragged Tigerhättet machen sollen.” Wir haben es versucht, und es war nicht leicht.
Im Herbst habe ich mit Mark Ronson geredet, da hat er mir gesagt, dass er sich wegen Ihnen sogar die Haare blond gefärbt hat.
Mark hat sich oft ein Tamburin oder eine Gitarre gegriffen und mit uns gejammt. Ich glaube, er hat sich ein bisschen als Teil der Band gefühlt. Mit den blond gefärbten Haaren wurde er noch mehr Teil unserer Band.
Duran Duran und die anderen Bands aus der “New Romantic”-Bewegung standen in den Achtzigern für einen synthielastigen Popsound. Wie ist dieser Sound Ihrer Meinung nach gealtert?
Die Songs, die am extremsten klingen, haben sich als am dauerhaftesten erwiesen. Künstler wie Human League, Depeche Mode und Gary Numan sind am besten gealtert, weil die sich am konsequentesten für diesen neuen Stil eingesetzt haben. Oder denken Sie an New Order. Die waren zwar keine New Romantics, aber auch eine Synthie-Band. Songs wie “Blue Monday” sind doch inzwischen Klassiker! Im Gegensatz dazu gab es vor allem in Amerika etliche Bands, die den Sound kopiert, aber weiterhin R&B-Harmoniefolgen benutzt haben. Die klingen heute alt.
In der Rückschau vergisst man leicht, dass die Synthie-Bands der Achtziger trotz ihrer Erfolge oft eine experimentelle Ader hatten.
Mein Eindruck ist, dass die Musik heute mehr und mehr von Produzenten geschrieben wird, nicht mehr von den Künstlern selbst. Die Künstler singen und tanzen, aber sie können nicht komponieren und auch kein Instrument spielen. Produzenten sind in der Regel eher konservativ – Profis, die nach einem Mittelweg suchen. Teenager, die in ihren Schlafzimmern hocken, schreiben ganz andere Songs. Die wollen etwas eigenes schaffen, dem widmen sie ihre gesamte Energie, und sie haben keine Angst zu scheitern. So entstehen im Zweifelsfall interessantere Songs. Damals war es zumindest so.
Die Klamotten, die Duran Duran in den Achtzigern trugen, wirken inzwischen ziemlich altmodisch. Was war Ihre schrecklichste Modesünde?
Da gibt es zum Glück nichts, für das ich mich besonders schäme. Vielleicht einige zweifelhafte Frisuren, aber auch die passten damals in die Zeit.
Anfang der Achtziger haben Duran Duran eine regelrechte Massenhysterie hervorgerufen. Gibt es einen Moment, von dem Sie heute sagen, das war der Gipfel unseres Erfolges?
Das wäre wohl unsere US-Tour im Jahr 1983. Diese Zeit war sehr intensiv. Die Hysterie, die uns umgab, hat dazu geführt, dass wir manchmal selbst hysterisch wurden.
Es heißt, sie hätten damals exzessiv gefeiert.
Wir hatten ’ne Menge Spaß. Und wir hatten viele Mädchen, die uns verfolgt haben. Das ist alles, was ich jetzt dazu sagen möchte.
Vielen anderen ist dieser Ruhm zu Kopf gestiegen.
Wir haben es gerade so geschafft, im Gleichgewicht zu bleiben. Wir sind auf der Rasierklinge balanciert und nicht ausgerutscht. Später wurde es zuviel für das eine oder andere Bandmitglied, aber damals sind wir ganz gut durchgekommen. Es gab keine öffentlichen Zusammenbrüche, und wir haben auch nicht in den Klatschzeitschriften irgendwelche Beichten abgelegt. So etwas fanden wir immer würdelos. Wenn man schon in die Rehab muss, dann erzählt man es niemandem.
Wie haben Sie es geschafft, diese exzessive Zeit zu überstehen?
Wir sind 1985 vorübergehend auseinandergegangen. Das hat den ganz großen Absturz verhindert. Wir waren klug genug zu wissen, dass wir eine Pause brauchen, ich zum Beispiel bin um die Welt gesegelt. Wenn wir so weitergemacht hätten wie vorher, hätte das bestimmt ein Opfer gefordert.
Und heute?
Die Hysterie, die uns umgab, ist verschwunden. Und wir arbeiten auch nicht mehr so viel. Ein großer Unterschied besteht außerdem darin, dass wir bei Konzerten heute In-Ear-Monitore benutzen. Dadurch können wir uns auf der Bühne hören, was früher nie der Fall war. Damals haben wir nur Geschrei gehört. Alles war so laut! Wenn man direkt neben dem Gitarrenverstärker stand, hat man gerade noch ein bisschen Gitarre gehört.
Wie bei den Beatles.
Ja, und die Beatles haben deshalb aufgehört zu spielen. Hätten sie damals doch schon In-Ear-Monitore gehabt!
Herzlichen Glückwunsch übrigens zu Ihrer Silberhochzeit, die Sie im Dezember gefeiert haben!
Vielen Dank!
Was sagen eigentlich Ihre drei Töchter zu Duran Duran?
Sie lieben die Band. Ich bin schließlich auch ihr Vater. Sie sind stolz auf mich und auf Duran Duran.
Wie haben Sie Ihren Töchtern beigebracht, was für einen irren Erfolg Sie mit der Band hatten?
Als die älteste dreizehn und die jüngste sieben war, haben wir ihnen den Dokumentarfilm Sing Blue Silver vorgeführt, der 1983 bei unserer US-Tour entstand. Ihnen klappte die Kinnlade herunter, als sie sahen, was da los gewesen war. They were gobsmacked, completely and utterly.
Neun Songs von “All You Need Is Now” sind bereits seit Dezember bei iTunes erhältlich. Die komplette CD erscheint Ende März. Am 26. Mai treten Duran Duran im Rahmen der Electronic-Beats-Reihe im Berliner Admiralspalast auf.
Johannes Waechter, 1969 geboren, stammt aus Berlin und war Mitte der Neunziger Musikredakteur der Berliner Stadtzeitschrift Zitty. Seit 1999 ist er Redakteur beim SZ-Magazin, wo er in den Jahren 2005 und 2006 zusammen mit Philipp Oehmke die Süddeutsche Zeitung Diskothek herausgegeben hat, eine 52-bändige Buch/CD-Reihe zur Geschichte der Popmusik. In diesem Blog geht es nicht nur um das derzeitige Popgeschehen, sondern vor allem um den großen Zusammenhang zwischen vergangener und aktueller Musik, inspiriert von Bob Dylans Worten: “It’s always good to know what went down before you, because if you know the past, you can control the future.”.