WILLIE NELSON NEU IN DER RECLAM MUSIK EDITION
Geflochtene Zöpfe, Bandana, weißer Vollbart und tiefe Furchen, die seinem asketischen Antlitz die Aura eines alten Trappers verleihen – seit den siebziger Jahren ist Willie Nelson eine der markantesten Figuren der US-Musikszene. Er gilt als eigenwillig und stur, immer wieder geriet er mit dem Gesetz in Konflikt, und seine Karriere verlief alles andere als geradlinig. Kurzum: Willie Nelson ist der klassische Outlaw.
Von Ernst Hofacker.
Geboren wurde Willie Nelson am 30. April 1993, die USA steckten mitten in der „Great Depression“. Tausende nomadisierten durch das Land auf der Suche nach einem Auskommen, auch Nelsons Familie. Nachdem der Vater gestorben war und die Mutter die Familie verlassen hatte, wuchsen Willie und seine Schwester in Abbott, Texas, bei den Großeltern auf, die das musikalische Talent der Kinder förderten. So spielte Willie bereits als Halbwüchsiger in den Polka- und Hillbilly-Bands der Gegend, Zeit seines Lebens blieb er tief verwurzelt in der Musik des Südens. Willie hatte Glück und fand für seine Songs prominente Abnehmer. Willies Karriere als Gesangsstar indes kam nicht vom Fleck. Trotz mehrerer Alben, die in den Sechzigern unter seinem Namen erschienen, blieb er ein Geheimtipp. Was daran lag, dass sein nasaler Bariton nicht jedermanns Sache war, aber auch daran, dass Nashvilles Musikmafia zu jener Zeit halsstarrig an einer kitschigen Erfolgsformel festhielt, in die sich einer wie Nelson kaum einpassen ließ. Frustriert verließ er die Music City, ging 1970 nach Austin, Texas – und erlebte dort endlich den wohlverdienten Durchbruch: Alben wie „Shotgun Willie“, „Phases And Stages“ und „Red Headed Stranger“ etablierten ihn nicht nur als C&W-Star, sie fanden auch den Weg zur Rockgemeinde, die in jenen Jahren ihr Herz für den „Blues des weißen Mannes“ entdeckte.
Von seinen Zöpfen hat er sich mittlerweile getrennt, nicht aber von seinen Gewohnheiten: Immer noch bringt er mindestens ein neues Album pro Jahr heraus, immer noch tourt der bald 80-Jährige unentwegt durch die Welt, und nach wie vor gerät der Country-Hippie mit der Staatsmacht aneinander, zuletzt als man 2010 in seinem Tourbus rund 170 Gramm Marihuana fand. Einmal Outlaw, immer Outlaw.
Reclam Musik Edition widmet diesem Ausnahmekünstler nun einen Platz in der „All Time Best“-Serie, die Musiker wie Johnny Cash, Leonard Cohen, Bob Dylan und Simon&Garfunkel umfasst. Seit mehr als 150 Jahren setzt der Traditionsverlag Reclam Maßstäbe. Sein einzigartiges Renommee verdankt er den großartigen Editionen der Weltliteratur, Kompendien zu Kunst und Kultur, anspruchsvollen Sachbüchern und einem hochklassigen Taschenbuchprogramm. In dieser Ausgabe sind seine wichtigsten Songs zusammengefasst – von „ „On The Road Again“ bis „Funny How Time Slips Away“.
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Zum Autor: Ernst Hofacker, Jahrgang 1957, hat als Redakteur unter anderem bei BRAVO, MUSIKEXPRESS und ROLLING STONE gearbeitet. Als Chefredakteur leitete er das Themenmagazin SOUNDS, im Frühling 2010 übernahm er GUITAR DREAMS. Gesprochen hat Hofacker im Laufe der Jahre mit Größen wie Ray Davies und Keith Richards. Dazu hat er diverse Bücher veröffentlicht, darunter das Standardwerk „Confessin’ The Blues – die Musik der Rolling Stones 1963-2010“. Im Frühjahr erscheint „Legenden – 25 Rockmusiker im Porträt“.