Apr
19
2012

ALTERNATIVE60S VOL. 4: THE LEMON PIPERS

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Ihr Fluch war das grüne Tambourin – das Schicksal der Lemon Pipers aus Cincinnati, Ohio, steht beispielhaft für die tückischen Folgen, die ein Welthit mit sich bringen kann… 

von Ernst Hofacker 

2:23 Minuten reichten, um die Welt für diese fünf Jungs aus dem Universitätsstädtchen Oxford, Ohio, auf den Kopf zu stellen. Bis zum Dezember 1967 waren sie eine junge Rockband gewesen, die in Undergroundclubs auftrat und ihren musikalischen Weg zwischen dem 12-String-Folk der Byrds und dem rustikalen Britrock der Who zu finden schien.

Beim größten Nachwuchswettbewerb des Landes, der Ohio Battle Of The Bands, hatten sie den zweiten Platz geschafft und mussten sich nur der James Gang geschlagen geben (die ein paar Wochen später als neuen Gitarristen niemand Geringeren als Joe Walsh an Bord holte); mit dem jungen Buddah Label hatten die Lemon Pipers einen Deal abgeschlossen und waren daraufhin in bessere Live-Venues geschickt worden. So hatten Dale „Ivan“ Browne (voc), William Bartlett (git), Robert G. Nave (keys), William E. Albaugh (dr) und Ron Dudek (b) bereits im Fillmore West in der Hippie-Hochburg San Francisco gastiert.

Was die Band aber nicht ahnte: Die Verantwortlichen bei Buddah sahen die Lemon Pipers weniger als Rock-Act, sie wollten die Gruppe vielmehr als Vertreter des neuen Bubblegum-Trends, einer besonders leichtgewichtigen und hochkommerziellen Teenrock-Variante, positionieren. Jedenfalls war das der Plan, nachdem die erste Lemon-Pipers-Single, das von Bartlett verfasste „Turn Around And Take A Look“, gefloppt war. Buddah-Boss Neil Bogart beauftragte nun den New Yorker Brill-Building-Profi Paul Leka, zusammen mit seinem Partner Shelley Pinz verwertbares Songmaterial für die junge Band aus Ohio zu schreiben. Bald schon standen die Pipers im Studio und nahmen – widerwillig, so ist es überliefert – einen Titel namens „Green Tambourine“ auf.

Buddah veröffentlichte den Song im Dezember 1967, der Rest ist Chartgeschichte: Platz 1 in den USA, Platz 7 in England, sogar Top Ten in Germany! Tatsächlich hat „Green Tambourine“ großartige Qualitäten, die es von anderen Bubblegum-Acts aus dem Hause Buddah wie etwa Ohio Express („Yummy Yummy Yummy“) und 1910 Fruitgum Co. („Simon Says“) unterscheiden: Die Sitargitarre, die das Rückgrat des Songs darstellt, und der auffällige Einsatz des Echos im Refrain rücken die Produktion deutlich in die Nähe des Psychedelic Rock, das sorgfältige Arrangement und die kompetente Performance mussten die Konkurrenz etablierter und „erwachsener“ Acts nicht fürchten. Das in Windeseile zusammengestellte Album jedoch offenbarte das Problem: Zeitweilig wirkte es, als hätten hier zwei verschiedene Bands gespielt – einmal diejenige, welche die sämtlich im Fahrwasser von „Green Tambourine“ angesiedelten Leka/Pinz-Songs interpretiert, und andererseits die ambitionierte Underground-Rockband, die selbstgeschriebene Stücke wie das neunminütige, mit rabiaten Gitarrenjams und experimentellen Psychedelic-Sounds befrachtete „Through With You“ intoniert.

Es kam, wie es kommen musste: Buddah setzte die Lemon Pipers unter Druck, den kommerziell vielversprechenden Bubblegum-Kurs fortzusetzen. Die Band gehorchte, weil sie wusste, dass sie andernfalls gedroppt würde, blieb jedoch erfolglos und löste sich 1970 schließlich auf.

Gitarrist Bartlett indes schaffte es dann doch noch in die Rock’n’Roll-Ruhmeshalle: Mit der Band Starstruck coverte er 1972 einen alten Folksong von Leadbelly. 1977 wurde die Aufnahme von „Black Betty“ in einer Bearbeitung von Ram Jam (denen auch Bartlett angehörte) veröffentlicht und in der Folge zum All-Time-Klassiker.

spotify_logoMehr interessante Entdeckungen aus den experimentierfreudigen 1960er Jahren warten auf der Playlist „Legacy Club“ bei www.spotify.com. The Lemon Pipers sind dort vertreten mit „Green Tambourine“ von ihrem gleichnamigen Album. Legacy-Club stellt regelmäßig weitere Highlights der „alternative60s“-Serie vor.