Ein Tag im Park. Paul Simons legendäres “The Concert in Hyde Park”
Paul Simons großes, wirklich großes Konzert im Hyde Park zeigt den Künstler als einen der vielseitigsten und begabtesten SingerSongwriter überhaupt. Nun ist THE CONCERT IN HYDE PARK erstmalig als 2CD/DVD- und 2CD/Blu-ray-Package erhältlich – ein Konzert, das die Essenz der gesamten Karriere von Paul Simon beinhaltet.
Text: Philipp Gosselck
Es gibt diese besonderen Tage im Leben. Diese Tage, aus denen sich ein Leben wie aus einem Buch herauslesen lässt, wenn man bereit ist, zuzuhören. Der 15. Juli 2012 war so ein Tag. Es war ein schöner Sommerabend im Londoner Hyde Park, der letzte Tag des Hard Rock Calling Festivals, an dem Paul Simon ein Konzert gab, das nicht nur eine musikalische Familienzusammenführung, sondern auch ein Rückblick auf viele Stationen einer bewegten Musikerkarriere gewesen ist.
Fast ein wenig unscheinbar wirkt es, als Simon, bekleidet mit einem schicken Sommeranzug und passendem Hütchen, die Bühne betritt. Beinahe beschwichtigend die Geste, mit der er dem frenetischen Jubel von 60.000 Fans gegenübertritt, als wollte er sagen: ‘Wartet doch erstmal ab, ob es Euch auch wirklich gefällt.’
Er ist bekannt dafür, manchmal ein wenig verloren auf den großen Bühnen zu wirken, Unnahbarkeit und Langweilertum werden ihm von manchen Kritikern vorgeworfen. Aber diese Stimmen straft der New Yorker seit über 50 Jahren Lügen. Er ist einfach nicht die große Rampensau, sondern ein höflicher, konzentrierter und vollkommen auf seine Songs fokussierter Musiker, der sich den Applaus nicht in Form von Vorschusslorbeeren auszahlen lassen will.
Große Songs, kleine Gesten, virtuose Musik
Ohne Umschweife geht es los, “Kodachrome” ist der Auftakt und es folgen zahlreiche Hits aus seiner langen und erfolgreichen Solokarriere. Die meisten der Stücke begleitet Simon sich auf seiner Western-Gitarre, umgeben von einer Band, deren Lust am Spiel schlicht beeindruckend ist. In Windeseile wechseln die Musiker die Instrumente, fast allesamt Multiinstrumentalisten, und zeigen, dass sich Simons Können seit jeher nicht nur auf die sanften Folk- und Folkrocksongs beschränkt.
“50 Ways to leave your Lover”, sein Nummer Eins-Hit vom Album STILL CRAZY AFTER ALL THESE YEARS, ist ein wunderbares Beispiel für die lange Reise, auf die sich Simon nach dem Ende der Simon & Garfunkel-Ära seit Anfang der Siebziger gemacht hat. Lange Aufenthalte in Europa, Südamerika und Afrika haben tiefe Spuren hinterlassen und bringen seinen Songs eine Weltoffenheit und Leichtigkeit, machen sie unvorhersehbar und spannend.
Meistens geschieht das leise, fast zart, ohne jemals ins Kitschige oder Klischeehafte abzurutschen. Die komplexen Songs sind über die Jahre gereift und immer wieder leicht verändert worden. Nuancen verschieben sich, lassen auch 40 Jahre alte Hits nicht abgedroschen klingen und selbst der sonst oft so strenge englische Wettergott meint es gut und schickt an diesem Abend einen malerischen letzten Sonnenstrahl über das Publikum genau auf die Bühne.
Die Rhythmus-Fraktion ist gut besetzt, spielt aber sehr dezent und ist vor allem dafür verantwortlich, die ungeheure Präzision zu gewährleisten, die hinter den Liedern liegt. Leadgitarre und Bläser verstärken, wenn nötig, zum großen Sound, denn trotz ihrer vermeintlichen Fragilität sind die Stücke fast alle tanzbar. Die Stimmung ist ausgelassen und immer wieder ertappt man den Sänger bei fröhlichen kleinen Tanzeinlagen, die vom Publikum mit großer Freude aufgenommen werden.
A Family Reunion – Graceland is not in Tennessee!
So hätte der Abend weitergehen können und es hätte an nichts gefehlt. Aber nach dieser schönen ersten Viertelstunde legt Simon erst richtig los. Hinter der Bühne stapeln sich förmlich die Special Guests und einer nach dem anderen kommen sie auf die Bühne. Kooperationen mit besonderen Künstlern ziehen sich wie ein roter Faden durch Paul Simons Leben, besonders afroamerikanische und afrikanische Elemente spielten immer schon eine große Rolle und so ist es die Reggae-Legende Jimmy Cliff, die plötzlich auf der Bühne steht. Gemeinsam spielen sie unter anderem Vietnam und bereiten das große Familientreffen vor, dass diesen Abend von vielen anderen herausragenden Konzerten unterscheiden soll.
Über 25 Jahre ist es her, als Paul Simon ein Album herausbringt, das zunächst für einen Skandal sorgte. Die 80er Jahre begannen nicht unbedingt rosig, eine von vielen Reunions mit seinem Grundschulfreund und in Hassliebe verbundenem Bandpartner Art Garfunkel endete wie immer im Streit, Alben floppten.
Doch anstatt den Kopf in den Sand zu stecken oder, branchentypisch, in Alkohol- und Drogeneskapaden zu versinken, ging Simon nach Südafrika. Im von der Apartheit zerrissenen Land suchte er nach Musikern, um mit ihnen ein Album aufzunehmen, dass zu seinem größten Solo-Erfolg überhaupt werden sollte. GRACELAND, erschienen 1986, sorgte für einen Sturm der Entrüstung. Die Zusammenarbeit mit zahlreichen südafrikanischen Künstlern wurde als Verstoß gegen das Embargo angesehen, das die Welt dem von Rassisten regierten Land auferlegt hatte.
Schnell wurde der große Unsinn jedoch revidiert, denn die Künstler waren keineswegs Zuträger dieses Systems, sondern seine erklärten Gegner. Auf GRACELAND arbeitete Simon unter anderem mit Ladysmith Black Mambazo zusammen, einer A Capella-Gruppe aus einem armen Township im Osten Südafrikas. Erst der gezielte Bruch mit dem Kulturboykott ermöglichte es diesen und vielen weiteren Künstlern, weit über Südafrika hinaus bekannt zu werden und die Aufmerksamkeit auf die äußerst lebendige einheimische Musikszene zu legen.
Ein Vierteljahrhundert später stehen sie nun im Hyde Park wieder gemeinsam auf der Bühne: Ladysmith Black Mambazo, insgesamt fast zehn Personen, dazu der große südafrikanische Trompeter Hugh Masekela und die Sängerin Thandiswa Mazwai.
Die Stimmung kocht und allen ist klar, dass Graceland zumindest an diesem Abend nichts mit einem Sänger aus Memphis, Tennessee zu tun hat.
Simon pickt, zupft, streicht dazu sein Instrument und seine Stimme scheint kein Jahr gealtert. Noch immer beeindruckt sein glasklares, hohes Timbre und reduziert die Tatsache, dass dort ein Mann in seinem achten Lebensjahrzehnt steht, auf eine bloße Zahl, von der zumindest akustisch rein gar nichts zu bemerken ist.
Hello Darkness, my old friend!
Aber noch fehlt ein Stein im Mosaik, dass Paul Simons musikalisches Leben darstellt.
Über 40 Millionen Alben hatte er bereits verkauft, bevor er überhaupt sein erstes Solo-Album aufgenommen hatte. Es steht den Fans ins Gesicht geschrieben, wenigstens ein bisschen Simon & Garfunkel soll es geben.
Und Simon liefert. Eine reduzierte, akustische und nur von seiner Gitarre begleitete Version von “Sound of Silence” bringt zu guter Letzt auch dieses Kapitel seiner Karriere aufs Tapet. Es folgt “The Boxer”, begleitet von Country-Legende Jerry Douglas.
Der Park ist ein Ort, an dem man Freunde trifft, ein Platz für gemeinsame Stunden. Bereits 1981 zogen Simon & Garfunkel über 500.000 Menschen zu einem Gratis-Auftritt in den New Yorker Central Park. Nun folgte der zweite große Tag im Park und er zeigt vor allem eines: Nach 16 Grammys und der bereits zweiten Ehrung in der Rock and Roll Hall of Fame geht es nicht mehr um den kurzlebigen Teil des Berühmtseins, sondern um das, was bleibt.
Dieses musikalische Vermächtnis durchzieht das Konzert im Hyde Park vom ersten bis zum letzten Takt.
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Paul Simon – The Concert in Hyde Park
Der Mitschnitt des legendären Gigs wird als 2CD/DVD- oder 2CD/Blu-ray-Package veröffentlicht und außerdem digital und als Stream erhältlich sein. PAUL SIMON – THE CONCERT IN HYDE PARK erscheint am 14.Juli 2017.