Summer Festival Of Legends: Der Sound der 60er Jahre
Sommerzeit ist Festivalzeit! Egal ob Jazz, Blues, Rock, Metal oder Schlager – für jeden Liebhaber findet sich ein eigenes Festival. Wann fing das eigentlich an? Wir tauchen ein in die 1960er Jahre, als jenseits des großen Teichs die große Open-Air-Bewegung entstand. Eben erst hat das legendäre “Monterey International Pop Festival 1967” sein 50. Jubiläum zelebriert, aber bereits in den Jahren davor fanden sich Musiker und Unmengen an Fans zusammen, um gemeinsam zu feiern. Lust, auf eine Zeitreise und im ewigen Sound of Summer zu schwelgen?
Die Geburtsstunde der ersten Rockfestivals liegt in den 1960ern und ohne Frage sind sie wichtige Meilensteine in der Musikgeschichte und spektakuläre Spiegelbilder eines unvergesslichen Zeitgeists. Mit ihnen wurde der Grundstein für Events wie Rock am Ring, Rock im Park, Wacken und zahllose Blues- und Jazzfestivals gelegt.
Folk, Rock, Blues – die Mischung macht’s
Um genau zu sein fand das erste große Festival sogar bereits 1959 statt. Das Newport Folk Festival, das wiederum eine Erweiterung des Newport Jazz Festivals darstellte. Erstmals mischten sich Vertreter unterschiedlicher Musikrichtungen, neben bekannten Jazzgrößen traten zahlreiche der bedeutendsten Blues- und Folkmusiker auf – unter anderem John Lee Hooker, Muddy Waters, Howlin’ Wolf und Lightnin’ Hopkins. Einige der Künstler hatten in Newport ihren ersten großen Auftritt, so 1959 Joan Baez, 1963 Bob Dylan, 1965 Donovan, 1967 Arlo Guthrie und Leonard Cohen.
Bob Dylan erlebte hier gleich zwei sehr persönliche Höhe- bzw. Tiefpunkte: Beim Newport Folk Festival 1964 überreichte ihm kein geringerer als Countrylegende Johnny Cash seine Martin-Gitarre, Zeichen seiner Zuneigung und des Respekts. Was für eine Geste! Es war die Zeit von Dylans Metamorphose vom Folkmessias zum Rockstar. Doch genau aus diesem Grund musste Dylan ein Jahr später am 25. Juli 1965 einen Tiefschlag einstecken: das Publikum buhte ihn aus und beschimpfte ihn gar als “Verräter”, als er mit der Paul Butterfield Blues Band auftrat und zur Elektrogitarre griff. Nach nur fünfzehn Minuten brach er seinen Auftritt ab, um erst 35 Jahre später wieder nach Newport zurückzukehren.
Kuriose Absagen und glanzvolle Auftritte
In den 1960ern gab es viele Veranstaltungsorte, an denen bedeutende Rockkonzerte stattfanden: In San Francisco das Fillmore Auditorium, das Fillmore West, das Winterland und der Avalon Ballroom; in New York das Fillmore East;es gab das Trips Festival (1966) mit Big Brother and the Holding Company, Jefferson Airplane, The Great Society und The Charlatans; das Barbeque 67 (1967) mit Pink Floyd, Jimi Hendrix Experience, Cream u. a.; das Fantasy Fair and Magic Mountain Music Festival (1967) mit dem ersten großen Auftritt der The Doors.
Vor ziemlich genau 50 Jahren, im Juni 1967, fand das legendäre dreitägige Monterey International Pop Festival unter dem Motto “Music, Love And Flowers” statt. Viele bezeichnen dieses Event in Kalifornien mit seinen 200.000 Besuchern als die Geburtsstunde der Festivalkultur und der Hippiebewegung.
Geplant wurde das Event u.a. von John Phillips, Bandleader der The Mamas And The Papas, dem Musikproduzenten Lou Adler und dem Publizisten Derek Taylor. Im Organisationskomitee saßen u.a. Mick Jagger, Paul Simon, Donovan, die Beatles und Brian Wilson von den Beach Boys. Leider keine Gewähr für deren Teilnahme. Brian Wilson zog in allerletzter Minute die Zusage für den Auftritt der Beach Boys zurück. Die Gruppe hätte als Hauptact das Festival beenden sollen. Auch die Beatles weigerten sich live zu spielen – ihre Musik sei zu komplex für Liveauftritte geworden… – und wurden kurzerhand aus dem Komitee entlassen.
Die Kinks hatten zwar zugesagt, erhielten aber aufgrund ihres Streites mit der amerikanischen Musikergewerkschaft keine US-Visa. Auch Donovan wurde das US-Visum verweigert – man hatte ihn ein Jahr zuvor beim Genuss von Betäubungsmittel erwischt. Von den Rolling Stones war zumindest Gitarrist Brian Jones anwesend, der den Auftritt von Jimi Hendrix ankündigte. Dieser wiederum widmete Bob Dylan eine Coverversion von “Like A Rolling Stone”, da Dylan sich von seinem Motorradunfall im Jahr 1966 noch nicht vollständig erholt hatte und somit am Festival nicht teilnehmen konnte. The Doors – damals eigentlich bereits sehr erfolgreich – wurden nicht einmal eingeladen. Keyboarder Ray Manzarek erzählte später: “Wir waren verärgert und haben uns gefragt, warum The Association auf dem Monterey Pop Festival dabei waren, aber The Doors nicht”.
Dennoch wurde das Festival ein riesiger Erfolg, dafür sorgten The Who – die ganze fünfundzwanzig Minuten spielten –, Otis Redding, Steve Miller, Electric Flag, Butterfield Blues Band, Canned Heat, Eric Burdon And The Animals, Jefferson Airplane, The Byrds und Ravi Shankar.
Für Janis Joplin bedeutete das Monterey Festival den großen Sprung ins Profigeschäft. Das Festival hatte der Musikindustrie erst richtig klargemacht, welch Big Business hinter dem Hippierockzauber zu erwarten war. So bezeichnete Clive Davis, damaliger Chef des Labels Columbia Records, das Monterey als wichtigen kreativen Wendepunkt und nahm Janis Joplin nach ihrem dortigen Auftritt unter Vertrag. Die damals 24jährige durfte sogar zweimal auftreten. Samstagabend glänzte sie mit einem großartigen Auftritt, würdig eines echten großen Rockstars – doch leider hatte der Bandmanager aus unbekannten Gründen verboten, dass die Kameras mitfilmen durften. Als Joplin hinter der Bühne davon erfuhr, brach sie in Tränen aus. Adler und Philipps gewährten ihr sodann für den nächsten Nachmittag eine zweite Chance, die sie wiederum für eine grandiose Performance zu nutzen wusste:
https://www.youtube.com/watch?v=Bld_-7gzJ-o
Jimi Hendrix agierte bereits als absoluter Festivalsuperstar. In seinem unvergleichlichen Look – knallrote Hose, rosa Jackett über gelb-schwarzer Weste und Rüschenhemd –, fesselte er das Publikum mit seinen Kunststücken auf der weißen Stratocaster. Unvergessen der Moment, als er diese dann begleitet von den ekstatischen Beats seiner Band in Flammen aufgehen ließ und anschließend zertrümmerte. “Ich glaube, mehr geht nicht!” war sein augenzwinkernder Kommentar nach dem Auftritt.
Natürlich waren auch hier schon jede Menge bewusstseinsstimulierender Substanzen im Umlauf, die Luft vom Potgeruch geschwängert. “Viele Leute waren berauscht, sowohl vor der Bühne wie auch dahinter”, sagte Crosby. “Es war eine sehr glückliche Menschenmenge, sehr gute Vibes.”
Die Konzerte wurden zum Teil als Live-Mitschnitte auf Platte verewigt (Jimi Hendrix, Otis Redding, Ravi Shankar). Das Monterey International Pop Festival wurde zur Inspiration von Woodstock.
Woodstock – Von Verweigerern wie Bob Dylan und Gewinnern wie Joe Cocker
Ihren Höhepunkt erreichte die Festivaleuphorie in Amerika schließlich 1969 mit dem bis heute bekanntesten Open-Air-Festival: das Woodstock Music & Art Fair – 3 Days of Peace & Music, kurz Woodstock Festival.
Alle erwarteten natürlich Bob Dylan, der zur dieser Zeit sogar in Woodstock, NY, lebte. Es wird berichtet, dass eines seiner Kinder krank war und er deswegen absagen musste. Anderen Quellen zufolge war er aber auch genervt von den Hippiemassen, die die Gegend um Woodstock bereits Tage vorher belagerten. Was auch immer der Grund war – am Tag als Woodstock begann, war Dylan auf dem Weg nach England zum Isle Wight Festival. Kurze Zeit nach Woodstock zog Dylan dann von Upstate New York fort, da er es leid war sein Haus von “Junkies” umzingelt zu sehen.
Auch sonst glänzten viele der damaligen Top-Acts durch Abwesenheit: die Beatles, Rolling Stones, Blind Faith, James Brown oder Aretha Franklin.
The Doors erwogen zumindest ihre Zusage, um letztlich doch abzusagen. Nicht aus terminlichen Gründen wie Gitarrist Robby Krieger gesteht: “Wir haben bei Woodstock nicht gespielt, weil wir dumm genug waren es abzusagen. Wir dachten, es wäre nur ein billiger Abklatsch des Monterey Pop Festivals.”
Led Zeppelin erhielten gleichfalls eine Einladung, aber Manager Peter Grant lehnte ab, um zwei eigene Shows in der Asbury Park Convention Hall in New Jersey wahrzunehmen: “Ich entschied mich abzusagen, weil wir bei Woodstock nur eine von vielen Bands gewesen wären”. Support der Shows war übrigens Joe Cocker, der unmittelbar danach Richtung Woodstock aufbrach.
Der erste Festivaltag stand ganz im Zeichen von Folk- und Countrymusik: Ravi Shankar, Melanie, Tim Hardin, Woodie Guthrie’s Sohn Arlo hatten ihren Auftritt. Joni Mitchell hatte sich auf den Weg gemacht, konnte das Festivalgelände jedoch aufgrund des enormen Andrangs wie viele andere Künstler und Fans nicht mehr erreichen – die Polizei hatte bereits die Zufahrtsstraßen und Autobahnen gesperrt. Dennoch ließ sie sich von diesem gigantischen Ereignis inspirieren und schrieb mit dem Song “Woodstock” die Hymne auf das Festival. Als Headliner und Höhepunkt beschloss die schwangere Joan Baez den ersten Abend mit dem Blick auf die schier unendlichen Menschenmenge: “Ich hasse es, vor so einem kläglichen Haufen zu spielen”.
An den nächsten Tagen gab es besten Rock in jeglicher Ausführung. So führten Santana, Canned Heat, Mountain, Grateful Dead, Creedence Clearwater Revival, The Who, Janis Joplin u.a. durch den zweiten Tag. Während Superstar Janis Joplin mit ihrem Auftritt eher enttäuschte, war es die in den frühen Morgenstunden einheizende Familienformation Sly & The Family Stone, die einen der besten Acts des Festivals hinlegte, der als Höhepunkt von Sly Stones Karriere bezeichnet wird.
https://www.youtube.com/watch?v=LQkdiJQIX5Y&list=PLOEQsvMCqH_4lli_Ly-7BVtvqZAXScHyg
Am dritten Tag begeisterte der junge Joe Cocker, der sich mit seiner unvergesslichen Coverversion des Beatles-Songs “With A Little Help From My Friends” in die Festivalannalen einbrannte. Nach den Auftritten von u.a. Ten Years After, The Band, Johnny Winter, Blood, Sweat & Tears, Crosby, Stills, Nash & Young waren es natürlich Jimi Hendrix + Gypsy Sun & Rainbows, die zum Synonym für Woodstock wurden.
Hendrix spielte unter anderem seine Interpretation der US-amerikanischen Nationalhymne “The Star-Spangled Banner” als Friedensappell vor dem Hintergrund des Vietnamkriegs. Mit “Purple Haze”, “Villanova Junction” und “Hey Joe” endete das Festival am Montagmorgen um 11:10 Uhr vor noch etwa 35.000 Besuchern.
Woodstock-Spirit in Deutschland
Seit Ende der 1960er Jahre fanden auch Open Air-Festivals in Europa statt. So wurde 1968 erstmals das Isle of Wight Festival veranstaltet und in den Jahren 1969 und 1970 erfolgreich fortgesetzt. Nicht umsonst wird es auch als “Europas Woodstock” bezeichnet. Es folgten Erfolgsmodelle wie das Reading Festival und das Glastonbury Festival. Ausgehend von Großbritannien weitete sich das Open-Air-Format über den Rest Europas aus. 1965 erreichte es Deutschland.
Beim Rolling Stones-Konzert 1965 auf der Berliner Waldbühne kam es fast zur Katastrophe, die Jugendveranstaltung endete schließlich im erbitterten Kampf zwischen Polizei und Musikfans. Man unterschätzte die Massen, die Stimmung und die Energie. Ähnlich endete das “deutsche Woodstock”, das Love & Peace Festival auf der Insel Fehmarn vom 4. bis 6. September 1970. Bereits einen Tag vor Beginn bevölkerten an die 4000 angereisten Fans das Gelände. 180 Rocker sollen in dieser Nacht mit ihren Motorrädern aus Hamburg angekommen sein und lieferten sich mit Hippies und einigen Studenten, die als Ordner vorgesehen waren, eine Schlägerei. Dadurch kam es dann auch zum offiziellen Festivalstart zu massiven Problemen – die Rocker gaben sich unter erzwungener Freigabe der Festivalleitung als Ordner aus und gingen so gar nicht in Love-and-Peace-Manier gegen die friedliebenden Hippies vor.
Beate Uhse – Kondome fürs Volk
Kurioses Detail am Rande: Beate Uhse schoss den Veranstaltern einen Betrag in Höhe von 200.000 DM vor und stellte ihre zwanzig Sexshops in Deutschland als Vorverkaufsstellen für die Eintrittskarten zur Verfügung. Vor Beginn des Festivals erschien sie höchstpersönlich mit ihren drei Söhnen, verteilte Autogramme und brachte Kondome unters lustvolle Publikum.
Neben den Rockerproblemen stand das Festival aber auch sonst unter keinem guten Stern. Das Wetter spielte nicht mit, verschiedene Bands (Procol Harum, Ten Years After) hatten kurzfristig abgesagt, Jimi Hendrix’ Auftritt musste spontan auf den letzten Tag gelegt werden, da er am Vortag auf dem von Fritz Rau organisierten Berlin Super Concert 70 in Berlin aufgetreten war und eine Ruhepause forderte. Allein die Darbietungen von Mungo Jerry – mit “In the Summertime” zu diesem Zeitpunkt einer der größten Sommerhits – und Canned Heat konnten das Publikum beruhigen und für das Warten auf Gitarrengott Hendrix entschädigen. Die Festivalveteranen Sly & the Family Stone beendeten den zweiten Festivaltag.
Am dritten Tag hatte Jimi Hendrix seinen letzten Festival-Auftritt überhaupt, bevor er am 16. September 1970 in Ronnie Scott’s Jazz Club in London zusammen mit Eric Burdon ein letztes Mal live zu sehen war und zwei Tage später verstarb.
Neben Jimi Hendrix, Sly & The Family Stone und anderen weltweiten Rockgrößen traten natürlich auch deutsche Bands auf, darunter die Combo um Rio Reiser. “Macht kaputt, was euch kaputt macht”, der bis heute legendäre Song der Ton Steine Scherben erklang bereits auf dem Festivalgelände in Flügge. Kurze Zeit später ging dort die Bühne in Flammen auf. Das Festival endete im Chaos.
Was bleibt aus dieser Zeit? Jede Menge schöner Erinnerungen, jede Menge faszinierender Geschichten und natürlich jede Menge guter Sound – hier geht’s zur