Rory Gallagher: Verneigung zum 20. Todestag
Als er vor 20 Jahren, am 14. Juni 1995, starb, hatte die Musikwelt nicht nur einen der begabtesten Gitarrenvirtuosen seiner Zeit verloren, sondern auch einen der sympathischsten Musiker im Rock-Zirkus. Was genau hatte dieser Kerl, für das ihn Tausende bis heute so heiß und innig lieben?
Text: Ernst Hofacker
Am 12. Juni 2015 erlebt das irische Küstenstädtchen Cork einen ganz besonderen Moment, um an den Todestag ihres musikalischsten Sohnes am 14. Juni 1995 zu erinnern: Pünktlich um 13.10 Uhr spielen sämtliche Radiostationen der Stadt Rory Gallaghers Klassiker „Tattoo’d Lady“. Unter dem Hashtag „#RememberRory“ sind dazu alle Läden, Autofahrer und Firmen in der Stadt aufgerufen, eine der Stationen einzustellen und das Empfangsgerät möglichst laut aufzudrehen. Anschließend wird auf dem Rory Gallagher Place nahe der Paul Street in Cork eine Tribute Band spielen.
Anhaltender Kult um Rory
So viel Ehre, wem sie gebührt – kaum ein Rockstar, der auch 20 Jahre nach seinem Tod noch so kultisch verehrt würde wie Rory Gallagher! Schon zu seinen Lebzeiten war die Szenerie überall dieselbe, ob in seiner irischen Heimat, in der Essener Grugahalle oder in irgendeinem Bluesclub im amerikanischen Mittelwesten: Wo immer Rory Gallagher und seine Band ihr Equipment aufgebaut hatten und im Begriff waren, die Bühne zu betreten, skandierte das bereits versammelte Publikum lauthals und mit herzlicher Vorfreude: „Rory, Rory!“ Kein Musiker seiner Generation dürfte von den Fans so sehr als einer der ihren, als Kumpel, als ehrliche Haut akzeptiert worden sein wie der kleingewachsene Gitarrenvirtuose, der seine Laufbahn Ende der 1960er-Jahre mit dem Bluesrocktrio Taste begonnen hatte und im folgenden Jahrzehnt eine höchst erfolgreiche Solokarriere startete. Und tatsächlich dürfte kaum je ein Rockstar so unglamourös, bodenständig und unkompliziert dahergekommen sein wie Rory.
Inbegriff des ehrlichen Arbeiters
Rorys unverkennbare Insignien: seine über die Jahre vom harten Tourleben reichlich mitgenommene Gitarre, eine Fender Stratocaster, Baujahr 1961, von deren originaler Sunburst-Lackierung schon in Gallaghers Glanzzeiten Mitte der 1970er-Jahre kaum noch etwas übrig war. Die Klamotten, in denen sich der Gitarrist seinem Publikum zeigte – Turnschuhe, Jeans, Flanellhemd, wahlweise auch mal T-Shirt und Jeansjacke. So definierte er schon zu Taste-Zeiten die bis heute übliche Standarduniform des ehrlichen Rockers. Und drittens war da seine Musik, ein lustvoller Rausch aus gleichermaßen hemdsärmeligen wie virtuosen Blueslicks, -riffs, -phrasen und -rhythmen, aus denen der Ire herrlich einfache, kompakte Songs drechselte, die sich, fern von Klischee und Kitsch, mit den alltäglichen Dingen des Lebens befassten.
Ein Bierchen mit den Fans
Und was sein Privatleben anging, so behielt er das lieber für sich. Weder von spektakulären Affären mit berühmten Models war zu lesen noch von Drogenexzessen, teuren Landsitzen oder chromglitzernden Automobilsammlungen. Stattdessen zischte der Gitarrist nach seinen schweißtreibenden Clubshows regelmäßig noch das eine oder andere Bier mit seinen Fans. Die lieben ihren Rory bis heute heiß und innig – oder wie es in einem alten Gallagher-Song heißt: „They don’t make them like you anymore…“
Die 12 wichtigsten Alben von Rory Gallagher:
Rory Gallagher (1971)
Rorys Debüt als Solokünstler nach dem Split von Taste demonstriert bereits eindrücklich seine Stärken: kraftvolle Bluesriffs, kombiniert mit sensibler Melodik.
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Blueprint (1973)
Schon der furiose Opener „Walk On Hot Coals“, der zu einer von Gallaghers besten Live-Nummern wurde, zeigt, wo’s langgeht: Electric Blues’n’Roll mit einer kräftigen Prise Folkblues.
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Irish Tour (1974)
Als Gallagher im Winter 1974 durch seine irische Heimat tourte, herrschten dort bürgerkriegsähnliche Zustände. Mit emotionalen Performances wurde „Irish Tour ’74“ zum Dokument der Verbundenheit zwischen Rory und seinen Fans.
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Calling Card (1976)
Produziert von Roger Glover (Deep Purple), geriet „Calling Card“ zum vielleicht besten Studioalbum des Gitarristen, der mit dem Titeltrack, dem akustischen „Barley & Grape Rag“ sowie dem wunderbaren „Edged In Blue“ Highlights in Serie abliefert.
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Photo Finish (1978)
Rau, energetisch, vielseitig: „Photo Finish“ überzeugte durch knackige Rocker wie „Brute Force & Ignorance“ und „The Last Of The Independents“ sowie das träge, B-Movie-inspirierte „Cloak & Dagger“.
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Top Priority (1979)
Unbeirrt von modischen Entwicklungen wie Disco, Punk und AOR, rockt Rory seinen bewährten Blues mit Energie und ohne die geringsten Ermüdungserscheinungen in die 1980er-Jahre.
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Jinx (1982)
Behutsam modernisiert Gallagher seinen Sound hier in Richtung Hardrock, zu hören etwa im rustikalen Opener „Big Guns“ – ansonsten aber bleibt alles beim guten alten Bluesrock („The Devil Made Me Do It“) mit gelegentlichen Balladen („Easy Come, Easy Go“).
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Fresh Evidence (1988)
Rorys letztes Studioalbum demonstriert noch einmal seine Stärken: vitaler Boogie’n’Blues, kraftvolle Riffs, atemberaubende Soli. Dazu ein Ausflug nach Louisiana („The King Of Zydeco“) und das jazzgefärbte Instrumental „The Loop“.
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Posthume Veröffentlichungen:
BBC Sessions (1999)
Grandiose 2CD-Zusammenstellung von Tracks, die Gallagher live für die BBC einspielte, darunter Klassiker wie „Calling Card“ und faszinierende Coverversionen alter Meister wie Sonny Boy Williamson („When My Baby She Left Me“) und John Lee Hooker („Roberta“).
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Wheels Within Wheels (2003)
Eine der schönsten Compilations von Gallaghers Werk, weil hier der Fokus mal nicht auf seine furiose elektrische Gitarre, sondern auf seine eher sanfte akustische Seite gerichtet ist – Folk, Flamenco, Countryblues & Bluegrass.
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Notes From San Francisco (2011)
Gallagher nahm 1977 in San Francisco ein Album auf, über dessen Mix er sich mit dem Poduzenten Elliot Mazer zerstritt, weshalb es nie veröffentlicht worden war. Behutsam von seinem Bruder Donal restauriert und nach Rorys damaligen Vorstellungen gemischt, erschien „Notes From San Francisco“ 2011 dann doch noch.
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Kickback City (2013)
Liebevolle Hommage an den erklärten Krimi-Fan Gallagher: Boxset mit Rorys besten Crime-Songs, einer zusätzlichen Live-CD plus dem von Bestseller-Autor Ian Rankin erdachten Rory-Krimi „The Lie Factory“, der dem Package als kleines Buch mit Illustrationen des US-Zeichners Timothy Truman beiliegt und auf einer dritten CD von Schauspieler Aidan Quinn gelesen wird.
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