DJANGO REINHARDT: ZAUBERER MIT ZWEI FINGERN
Mehr als ein halbes Jahrhundert schon ist er tot – dennoch beziehen sich bis heute Gitarristen jeglicher Couleur auf das Werk des großen Django Reinhardt. Gut, dass es mit dem Boxset „On Vogue“ eine hochwertige Sammlung seiner wichtigsten Aufnahmen gibt.
Text: Ernst Hofacker
Suchen wir mal in einer ganz anderen Ecke. Zum Beispiel in einem Stahlwerk im englischen Birmingham Mitte der 1960er Jahre. Ein junger Mann erleidet dort einen Arbeitsunfall, er verliert dabei zwei Fingerkuppen. Der 17-jährige Tony Iommi ist am Boden zerstört, seinen Traum, einmal ein großer Gitarrist zu werden, muss er wohl aufgeben. Iommis Chef aber weiß, wie er den unglücklichen Youngster wieder aufrichten kann: Er spielt ihm die Musik von Django Reinhardt vor. Und die wirkt. Denn Reinhardt hatte es noch ärger erwischt als Iommi. 1928, da war der in Belgien gebürtige Roma-Junge gerade 18 Jahre alt, ging sein Wohnwagen in Flammen auf. Reinhardt erlitt schwerste Verbrennungen, Mittel- und Ringfinger seiner linken Hand blieben fortan gelähmt. Jeder andere wohl hätte die Gitarre an den Nagel gehängt, nicht so Django. Verbissen lernte er das Instrument neu, entwickelte eine ganz eigene Zwei-Finger-Technik – und wurde zum wohl einflussreichsten Jazzmusiker, den Europa bis heute hervorgebracht hat.
Die Leichtigkeit der Zigeuner
In Pariser Clubs entwickelte er zu Beginn der 1930er Jahre gemeinsam mit dem Geiger Stephane Grapelli einen hochmelodischen Musikstil, der die Einflüsse amerikanischer Jazzer wie Louis Armstrong und Duke Ellington aufnahm und mit der Folklore europäischer Zigeuner vermischte. Der Ruhm des Django Reinhardt Quintet sprach sich bald bis in die Neue Welt herum, namhafte Größen der dortigen Szene spielten während ihrer Europareisen mit Reinhardt zusammen. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging Django, der dem Naziterror knapp entkommen war, seinerseits in die USA, jammte dort unter anderem mit Duke Ellington und entdeckte den federführend von Charlie Parker, Dizzy Gillespie und Thelonius Monk entwickelten BeBop. Er wurde zu seiner letzten wichtige Inspiration. Seine Spuren hatte Django da längst hinterlassen. Kollegen wie Charlie Christian, Barney Kessel und Wes Montgomenry verehrten ihn, und nicht wenige meinen, dass Reinhardt auch den Western Swing von Bob Dunn und Bob Wills, ohne den die moderne Countrymusik kaum denkbar wäre, maßgeblich inspiriert hat.
Als Django Reinhardt am 16. Mai 1953, gerade 43-jährig, einem Schlaganfall erlag, war seine Musik kaum noch gefragt. Pop und Rock dämmerten herauf und lösten den Jazz als dominierende Mainstreammusik ab. Spätestens in den 1960er Jahren aber wurde sein zeitloser und virtuoser Hot Swing wiederentdeckt, junge Gitarristen wie Chet Atkins, Jeff Beck, Jimmy Page, Jerry Garcia, Robert Fripp und später dann Stevie Ray Vaughan übernahmen Elemente von Reinhardts Musik in ihr Spiel.
Ach ja, und was wurde eigentlich aus Tony Iommi? Auch er erlernte das Spielen neu und gründete eine Band, die sich Black Sabbath nannte.
Das 8-CD-Boxset „Django Reinhardt on Vogue“ enthält sämtliche wichtigen Aufnahmen von 1934 bis 1951.
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