Apr
20
2012

ZUM TOD VON LEVON HELM

Gestern, am 19. April erlag Levon Helm in New York City im Alter von 71 Jahren seinem langjährigen Krebsleiden. Legacy-Club erinnert an einen der letzten Überväter der amerikanischen Musik. 

von Ernst Hofacker 

Es war sicher nicht sein berühmtester Auftritt, wohl aber einer seiner eindrucksvollsten: In Michael Apteds wunderbarem Kinofilm „Coal Miner’s Daughter“ (1980) gab Levon Helm den mürrischen Vater der Countrysängerin Loretta Lynn. Ein einfacher Mann, dessen Wertekodex sich aus Bibel, den simplen Wahrheiten des Lebens und dem Boden des Landes speiste, das er mit seinen eigenen Händen urbar gemacht hatte. Eine aus der Zeit gefallene Figur. Und eben deshalb zeitlos.

Kaum einer hätte diese Figur überzeugender spielen können als dieser Levon Helm, geboren am  26. Mai 1940 in Marvell, Arkansas. Er trug die ursprüngliche amerikanische Musik in sich. Und wie kaum ein anderer war er in der Lage, die Kraft und Autorität dieser Musik weiterzutragen.

Mitte der sechziger Jahre tauchte Helm in der Szene als Mitglied der Hawks auf, die Bob Dylan auf seinen Tourneen begleitete. Als die Gruppe unter dem neuen Namen The Band 1968 ihr Debüt „Music From Big Pink“ vorlegte, war nichts mehr wie zuvor. Fünf Männer, die auf dem Cover aussahen wie alterslose Pilgerväter, hatten der Generation von Sgt. Pepper gezeigt, dass knorriger Folk, alterweiser Country, ausgelassene New-Orleans-Grooves und vitaler Blues das Rückgrat der amerikanischen Musik bildeten. Und Levon Helm, Sänger und Drummer von The Band, war die markante Stimme dieser kathartischen Rückbesinnung. Man darf sagen, dass der US-Rock mit diesem Album seine Identität gefunden hatte, „Music From Big Pink“ verband das Erbe von Thomas Jefferson, Charley Patton und Roy Rogers mit der Gegenwart von Richard Nixon, Vietnam und Woodstock.

Nachdem sich The Band am 25. November 1976 mit dem grandiosen „The Last Waltz“-Projekt von der internationalen Bühne verabschiedet hatten, blieb Helm so etwas wie der Übervater des Americana-Genres. In seiner Scheune in Woodstock hatte er ein Studio eingerichtet, wo sich fortan diejenigen trafen, die wussten, dass diese Musik ihren Lebensnerv aus der Welt von Old Dixie und aus den Legenden des Appalachen-Folk bezog. 1998 wurde bei Helm Kehlkopfkrebs diagnostiziert. 14 Jahre lang bot er der Krankheit die Stirn und brachte noch einige seiner schönsten Alben heraus, darunter „Dirt Farmer“ (2007) und „Electric Dirt“ (2009). Am 19. April starb Levon Helm im Memory Sloan-Kettering Cancer Center, New York.

Charles P. Pierce brachte es im US-Magazin „Esquire“ auf den Punkt: „He was the true Voice of America!“