ALTERNATIVE60S VOL. 1: JEFFERSON AIRPLANE
Die offizielle Rockgeschichtsschreibung reduziert sie gerne auf ihre beiden Hits „White Rabbit“ und „Somebody To Love“ – dabei waren Jefferson Airplane eine der wichtigsten US-Bands der sechziger Jahre.
von Ernst Hofacker
San Francisco, Flower Power, Psychedelia, LSD. Die Schlagworte bezeichnen jene Ära zwischen 1965 und 1970, als junge Musiker rund um die Golden Gate Bridge herkömmliche Pop- und Rockmusik-Schablonen sprengten, wobei sie nicht nur jede Menge künstlerische Phantasie entwickelten, sondern auch mehr Drogen benutzten, als der Gesundheit förderlich waren. Dazu etablierten sie ein Lifestyle-Modell, das die Jugend der westlichen Welt nachhaltig faszinierte. So hingebungsvoll jene mythenbeladene Hippie-Epoche indes bis heute gepflegt wird (wenn auch in erster Linie als plattes Klischee), so sehr ist die eigentliche musikalische Hinterlassenschaft der Hippies in Vergessenheit geraten. Schade, denn sie hat es in sich. Etwa die von Jefferson Airplane.
Auf ihrer ersten Platte (noch mit Sängerin Signe Tole Anderson) war die Band noch deutlich der Ästhetik, dem Ethos und der Form des Folk verhaftet, bereits auf ihrem zweiten Album hatten sie ihre Folkroots mit Pop-Appeal und Rockelementen kombiniert. Spätestens auf „After Bathing At Baxters“ aber, dem dritten Album, das sie mit dem kommerziellen Erfolg ihres Zweitlings „Surrealistic Pilow“ im Rücken und daher mit praktisch uneingeschränkter künstlerischer Freiheit angehen konnten, ließen sie sämtliche formellen und stilistischen Limitierungen hinter sich. Vogelwilde Gesangssätze, bluestrunkene Gitarrensoli, pulsierende Drumgewitter und minutenlange Instrumentalimprovisationen summierten sich zu Klangexkursionen, denen kakophonische Abgründe ebenso innewohnten wie lyrische Momente, die das Lebensgefühl jener Epoche vermittelten. Von nun an und mit Alben wie „Crown Of Creation“ (1968) und „Volunteers“ (1969) wurden Jefferson Airplane zur Autorität in der internationalen Rockszene, Songs wie „Volunteers“, „Wooden Ships“, „Lather“, „Triad“ und „We Can Be Together“ galten als Manifeste der Hippiekultur. Die Band um Sängerin Grace Slick sowie die Songwriter Paul Kantner und Marty Balin war Stammgast auf sämtlichen großen Festivals jener Jahre, nicht zuletzt Monterey (1967) und Woodstock (1969).
Zum Ende des Jahrzehnts jedoch rieb sich das Musikerkollektiv zunehmend in internen Richtungskämpfen auf. Bandgründer Balin, Gitarrist Jorma Kaukonen und Bassist Jack Casady verließen alsbald die Gruppe, die in der Folge zum Jefferson Starship mutierte und mit neuen Musikern eine zweite, deutlich am Mainstream-Rock orientierte Karriere begann. Das Airplane-Erbe indes gehört bis heute zum Interessantesten und Spannendsten, was amerikanische Bands in jenen Jahren zustande brachten.
Mehr interessante Entdeckungen aus den experimentierfreudigen 1960er Jahren warten auf der Playlist „Diggin’ deeper – alternative 60’s“ bei www.spotify.com. Jefferson Airplane sind dort vertreten mit „Two Heads“, einem Track ihres hochgelobten dritten Albums „After Bathing At Baxters“ (1967). Legacy-Club stellt von nun an regelmäßig Highlights der „Diggin’ deeper“-Serie vor.
Die 1960er war das Jahrzehnt in der sämtliche Regeln der Pop-Musik durchbrochen wurden. Damals wurde viel großartige Musik veröffentlicht, die bis heute zu Unrecht im Schatten von Hendrix, Dylan & Co steht und Musikrichtungen wie den Bubblegum-Sound oder Sunshine-Pop beeinflussten. In der neuen Serie „alternative60s“ ehrt Legacy Club Bands wie Jeffersion Airplane, The Strangeloves oder Captain Beefheart & His Magic Band.