ZUM TOD VON LUCIO DALLA
Am 1. März starb im schweizerischen Montreux überraschend der italienische Songpoet Lucio Dalla. Legacy-Club erinnert an eine der bedeutendsten Ikonen der mediterranen Unterhaltungskunst.
von Ernst Hofacker
Morgens, kurz nach dem Frühstück in einem Hotel in Montreux, so ist zu hören, erlitt er einen Herzinfarkt. Nur drei Tage vor seinem 69. Geburtstag verabschiedete sich Lucio Dalla von dieser Welt. Eigentlich müsste man sagen: Er wurde herausgerissen. Gerade erst hatte der Liedermacher eine umfangreiche Tournee begonnen, die ihn neben der Schweiz und Italien auch nach Deutschland führen sollte. Am Vorabend noch hatte er in der Stadt am Genfer See ein umjubeltes Konzert gegeben.
Nicht nur für das deutsche Publikum wäre es ein Wiedersehen mit einem alten Freund geworden. Als Künstler stand Dalla auch hierzulande für eine anspruchsvolle italienische Songkultur, die mit den seichten Gefilden von „Volare“ und „Ti Amo“ nichts anzufangen wusste. Er gehörte zur Generation jener, die wie Paolo Conte, Antonello Venditti und Francesco De Gregori, musikalisch geprägt waren vom Big Band Swing der 1940er Jahre, vom französischen Chanson und nicht zuletzt den großen amerikanischen Soul- und Rhythm’n’Blues-Künstlern der Nachkriegsjahre. Einflüsse, die diese Künstler mit mediterraner Leichtigkeit und Texten mischten, die den gesellschaftlichen Aufbruch der 68er-Bewegung reflektierten.
Lucio Dalla, geboren am 4. März 1943 in Bologna, lernte schon früh Klarinette und Saxophon und begann seine Musikerkarriere zu Beginn der 1960er Jahre in diversen Jazzbands, unter anderem bei den Flippers, die als Begleitband des seinerzeit erfolgreichen Edorado Vianello arbeiteten. Bereits 1964 startete der 21-jährige Dalla seine Solokarriere, unter anderem mit der Coverversion eines Curtis-Mayfield-Songs. Bis zum Ende des Jahrzehnts indes konnte er in der von Beat und Rock weitgehend unbeleckten italienischen Musikszene nicht recht Fuß fassen, wohl auch weil er sich und seine Kunst zunehmend politisierte. 1973 aber platzte der Knoten mit dem überraschenden Erfolg von „4 Marzo 1943“, das in einer Version der französischen Chansonsängerin Dalida auch über Italiens Grenzen hinaus bekannt wurde.
Allmählich wurde Dalla in den nun folgenden Jahren zur festen Größe der heimischen Szene, nicht zuletzt durch seine Zusammenarbeit mit dem marxistischen Dichter Roberto Roversi. Spätestens 1980, nach großartigen Alben wie „Come E Prefondo Il Mare“, „Lucio Dalla“ und „Dalla“, war er zur Institution geworden. Seinen Durchbruch in Deutschland schaffte er 1986 mit seinem wohl bekanntesten Song „Caruso“, einer Hommage an den legendären italienischen Tenor, die sich weltweit neun Millionen Mal verkaufte.
Bis zuletzt veröffentlichte Lucio Dalla regelmäßig Alben und ging auf Tourneen, zuletzt mit der gerade veröffentlichten Karriere-Retrospektive „Questo E Amore“ im Gepäck, die neben Highlights aus 40 Jahren auch einige neue Titel enthält.
Der „Cantautore“, wie sie ihn nannten, ist gegangen. Der geschockte Eros Ramazotti sprach am Donnerstag Millionen Fans aus der Seele: „Sein Genie wird uns fehlen!“
Einen schönen Überblick über das Werk von Lucio Dalla bietet “The Best of Lucio Dalla”.
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