Feb
24
2012

DER GEIST VON JOHNNY CASH

JohnnyCash

Am 26. Februar wäre Johnny Cash 80 Jahre alt geworden. Legacy-Club erinnert an den 2003 verstorbenen Vater der modernen Countrymusik.

von Ernst Hofacker 

Grobkörnig, düster, mysteriös. Eine Figur aus den Nebeln einer vergangenen Epoche, kongenial eingefangen auf Anton Corbijns berühmten Porträtfotos, so scheint Johnny Cash in unser Jahrhundert hinüber zu grüßen. Ein einsamer Wanderer zu Lebzeiten, der nun wie ein schemenhafter Patron über der zeitgenössischen Alternative- und Americana-Szene schwebt. In der Tat, they don’t make ’em like that no more.

In der durchgenormten und -gecasteten Showkulisse unserer Tage sind Figuren wie er selten geworden. Eine Branche, die schon die Nase rümpft, wenn eine Grammy-Preisträgerin mal nicht über Modelmaße verfügt, war Männern wie Cash gegenüber allerdings schon immer misstrauisch. Bereits Mitte der 1960er Jahre, nach den ersten Karrierehoch, war Cash ins Abseits geraten, in den 1980er Jahren gar warf ihn seine Plattenfirma raus. Aber Cash war nicht nur ein rastloser Streuner in den Untiefen des amerikanischen Traums, er war auch ein Kämpfer, der so schnell nicht aufgab, selbst wenn ihm der Feind oft genug in Gestalt des eigenen Dämons erschien.

Seiner Kunst, dereinst genährt von den bitteren Balladen eines Hank Williams, dem wilden Aufbruch des Rockabilly und der jenseitigen Verheißung des Gospel, tat das gut. Wer seinen spröden Bariton zur harten Boom-Chicka-Boom-Gitarre hörte, wusste dass da einer sang, der meilenweit von aller Nashville-Konfektion zuhause war. Kein Rhinestone-Cowboy, sondern der „Man in Black“, Romantiker, Rowdy, Rebell. Jemand, dem man glauben konnte, wenn er davon erzählte, dass er einen Mann in Reno erschossen hatte, nur um ihn sterben zu sehen. Auch wenn das nur ein Song war.

Und wer sonst hätte es verstanden, ein zerrissenes Lamento wie Nine Inch Nails’ „Hurt“ in eine stille Meditation von geradezu biblischer Kraft umzudeuten? „I hurt myself today to see if I still feel“ – nicht nur graubärtige Song-Aficionados goutierten die großartige Serie der „American Recordings“, die unter der Regie von Rick Rubin ab 1992 entstand. Auch eine Generation von jungen Hörern, die solche Autorität im musikalischen Angebot einer überdrehten Medienindustrie vergeblich suchte, entdeckte in diesem wohl größten aller Countrysänger nun den verwitterten Paten einer verloren geglaubten Wehr- und Wahrhaftigkeit.

Johnny Cash ging mit 71 Jahren. Seine Legende ist seitdem gewachsen. He walked the line.