Nov
28
2011

THE BLACK KEYS IM INTERVIEW: “WIR WOLLEN ABGEFUCKT KLINGEN”

TheBlackKeys

Auf sechs Alben mit bollernden Drums und reichlich Feedback haben die Black Keys bewiesen, dass der Blues weiterhin zeitgemäße Musik ist und auch im Indie-Kontext als cool zu gelten hat. Anlässlich ihres neuen Werks El Camino spricht Drummer Patrick Carney über seine Lieblingsschlagzeuger, die Bedeutung von Fehlern in der Musik und die seltenen Streitereien mit Gitarrist Dan Auerbach.

Von Johannes Waechter

Patrick Carney, auf dem neuen Black-Keys-Album El Camino höre ich nicht mehr so viel Blues wie früher, dafür Spuren von Punk und Rockabilly.

Ja, auf jeden Fall. Ende der Siebziger waren ja auch viele Punkbands vom Rockabilly beeinflusst, denken Sie an die Cramps. Sowas hören wir gerne, aber auch die Originale aus den Fünfzigern, Leute wie Johnny Burnette und Eddie Cochran.

Wie haben die Typen das hinbekommen, dass ihre alten Songs immer noch so frisch klingen?

Weiß ich auch nicht. “Train Kept A-Rollin” von Johnny Burnette ist einer der härtesten, erstaulichsten Songs, die ich kenne. Je öfter ich mir die Aufnahme anhöre, desto genialer finde ich sie. Dabei ist es eigentlich ein sehr simpler Song.

Ich habe kürzlich mit Tav Falco gesprochen, er hat mir geschildert, wie schwierig es Ende der Siebziger war, sich über alte Rockabilly-Musik zu informieren. Das ist heute kinderleicht. Was für einen Effekt hat diese Veränderung?

Bevor es das Internet gab, war der einzige Weg, um etwas über Musik zu erfahren, der Kontakt mit anderen Leuten, die sich besser auskannten und größere Plattensammlungen hatten. Und um wirklich weiter zu kommen, musste man sich richtig reinknien. Als Teenager habe ich mich zum Beispiel intensiv mit Devo und den Feelies beschäftigt. Ich weiß noch, dass ich ein Jahr lang nach ihrer ersten Platte gesucht habe. Mein Onkel ist Musiker, er hat Mitte der Siebziger in Akron eine Band gegründet, die von Soft Machine und Can beeinflusst war. Er hat mir erzählt, dass es damals fast unmöglich war, in Akron deren Platten zu finden. Wenn einer eine hatte, sind alle vorbeigekommen und haben sie sich angehört. Jetzt lädt man sich die Musik einfach herunter.

Gerade liegt bei mir die Wiederveröffentlichung der Can-CD Tago Mago auf dem Tisch. Geniale Band, genialer Drummer.

Auf unserem Song “Tighten Up” ist mein bescheidener Versuch zu hören, den Beat von “Vitamin C” nachzuspielen. Das ist einer der besten Drumbeats aller Zeiten!

Von Dan Auerbach, Ihrem Kompagnon bei den Black Keys, weiß man, dass er schon als Jugendlicher viel Blues gehört hat. War das bei Ihnen genau so?

Nein, eigentlich nicht. Ich habe eher Classic Rock gehört – Led Zeppelin, Jimi Hendrix, The Beatles. Später mehr Indierock und Sachen wie Captain Beefheart.

Die frühen Platten der Black Keys waren dann stark vom rauen Hill Country Blues beeinflusst.

Dass wir bei Fat Possum unterschrieben haben, lag auch daran, dass Dan so ein Fan von Junior Kimbrough und ich von der Blues Explosion war. Ihre beiden Platten mit RL Burnside habe ich als Teenager viel gehört. Wir waren sogar ein paar Mal in Junior Kimbroughs Juke Joint. Ich denke, Fat Possum hat uns auch deshalb unter Vertrag genommen, weil die alten Bluestypen alle gestorben sind und die Juke Joint Culture am verschwinden war.

Schon auf den frühen Platten hatten die Black Keys einen sehr markanten Sound.

Wir waren leidenschaftlich bei der Sache, aber wir hatten eigentlich keine Ahnung davon, wie man ein Album aufnimmt. Wir haben viele Fehler gemacht, was aber gut war – so entstand unser eigener Stil. Die alten Blues-Typen spielten zum Beispiel auf ungewöhnliche Weise Gitarre, weil sie es sich selbst beigebracht haben.

Was passiert, wenn man irgendwann keine Fehler mehr macht?

Wir haben zum Glück eine ganz genaue Vorstellung davon, wie sich unsere Platten anhören sollen. Wir wollen weiterhin ein bisschen abgefuckt klingen. Ich glaube nicht, dass wir je eine Platte machen werden, die sauberer klingt als El Camino.

Jetzt ist der abgefuckte Sound aber nicht mehr Zufall, sondern Absicht.

Der war auch damals schon Absicht. Aber es ist einfacher, mit vier Spuren einen abgefuckten Sound hinzubekommen, als einen richtig tollen Sound. Da traf es sich gut, dass wir eh so klingen wollten.

Was war der größte Streit, den Sie je mit Dan hatten?

Der größte Streit? Hm. Wir sind manchmal unteschiedlicher Meinung, aber ein großes Zerwürfnis gab es bisher nicht. Wir sind beide eher passiv-aggressive Typen. Auf Tour sind wir manchmal gereizt, das liegt am Reisestress. Ist aber auch nicht so schlimm, denn wenn wir uns gestritten haben, spielen wir in der Regel eine bessere Show.

Stimmt es eigentlich, dass Dan mit Dr. John im Studio war?

Ja, er produziert sein neue Album. Nick [Movshon], Leon [Michaels] und Max von den Whitefield Brothers spielen auch mit. Kommt im Februar raus, soweit ich weiß.

Wer ist Lieblingschlagzeuger?

Als Teenager war das Russell Simmons von der Blues Explosion. Bis heute gibt es kaum jemand, der mich live so umgehauen hat. Ich denke, er wird sehr unterschätzt. John Bonham und Bill Ward mag ich auch. Die drei sind meine drei wichtigsten Vorbilder.

Ich vermute mal, dass Sie inzwischen selbst ein Vorbild für viele junge Schlagzeuger sind.

Weiß ich nicht. Ich habe gerade einem Schlagzeug-Magazin ein Interview gegeben, für eine Titelgeschichte zum Thema “Minimalist drumming is coming back”. Wobei ich meinen Stil gar nicht minimalistisch finde. Was ich allerdings wirklich hasse: diese riesigen Drumsets mit einem Dutzend Toms und einen Dutzend Becken. Das wirkt auf mich, wie wenn einer einen Lamborghini fährt. Sieht einfach niemals cool aus.

Das Album “El Camino” (Warner) erscheint am 2. Dezember. Hier ein kleiner Vorgeschmack:

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Johannes Waechter, 1969 geboren, stammt aus Berlin und war Mitte der Neunziger Musikredakteur der Berliner Stadtzeitschrift Zitty. Seit 1999 ist er Redakteur beim SZ-Magazin, wo er in den Jahren 2005 und 2006 zusammen mit Philipp Oehmke die Süddeutsche Zeitung Diskothek herausgegeben hat, eine 52-bändige Buch/CD-Reihe zur Geschichte der Popmusik. In diesem Blog geht es nicht nur um das derzeitige Popgeschehen, sondern vor allem um den großen Zusammenhang zwischen vergangener und aktueller Musik, inspiriert von Bob Dylans Worten: “It’s always good to know what went down before you, because if you know the past, you can control the future”.