Sep
16
2011

SLOWHANDS TRAUERMARSCH: ERIC CLAPTON UND WYNTON MARSALIS

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Um Jazz zu spielen sei er eigentlich zu schlecht, hat Eric Clapton gesagt. Dennoch gab er im April einige Konzerte mit Wynton Marsalis und seiner Gruppe, einer der besten Jazzbands des Planeten. Die Resultate sind nun als CD erschienen und zeigen, dass sich Clapton in dieser ungewohnten Umgebung wacker geschlagen hat – aber nicht immer mithalten konnte.

Von Johannes Waechter

WaechterKaum eine Platte habe ich in den letzten Jahren so häufig gehört wie Two Men With The Blues, das Duett-Album von Willie Nelson und Wynton Marsalis. Der federleichte Swing von Marsalis’ Band und Willies einzigartige Phrasierung verbinden sich zu Musik, die sehr tiefgründig ist, aber zugleich sympathisch und humorvoll. Vor allem staunt man über die Mühelosigkeit, mit der der Jazzvirtuose und der Countrysänger zusammenfinden; offensichtlich gibt es ganz tief unten eine enge musikalische Verwandtschaft zwischen ihnen. Inzwischen haben die beiden einige Male zusammen gespielt, auf einer weiteren CD/DVD sind sie mit Songs von Ray Charles zu hören.

Gerade ist nun eine neue, ungewöhnliche Duett-CD erschienen, die ebenfalls live im New Yorker Lincoln Center aufgenommen wurde: Wynton Marsalis & Eric Clapton Play The Blues (Reprise/Warner). Ich habe die CD inzwischen recht häufig gehört, und als erstes fiel mir auf, dass das Zusammenspiel hier längst nicht so federleicht und flüssig ist wie bei Two Men With The Blues: Während Wynton und Willie wie zwei Zwillinge wirken, die nur kurz getrennt waren, erscheinen Wynton und Eric als zwei musikalische Schwerstarbeiter, die sich ziemlich anstrengen müssen, um ein bisschen locker zu wirken.

Das ist möglicherweise auch Wynton Marsalis aufgefallen, jedenfalls hat er im Booklet einen langen Text publiziert, der sich wie eine Rechtfertigung des ganzen Projekts liest. Vor allem will er den Jazzfans, seinen Fans, erklären, dass Clapton nicht nur dieser Rockfuzzi ist, der George Harrison die Frau ausgespannt hat. So betont Marsalis, dass die Musiker nur kurz geprobt hätten, bevor sie sich auf die Bühne wagten, und weist darauf hin, dass das ganze vor allem für Clapton ein Wagnis war, weil dieser die Band nicht kannte und normalerweise auch nicht den avancierten Swingjazz spielt, für den Marsalis bekannt ist. Schließlich zollt Marsalis Claptons “encyclopedic knowledge of blues styles” Anerkennung: “From our first interactions, I recognized his intensity and seriousness about music. (…) The lifelong pursuit of music evidences a deep love, but requires even deeper commitment from the extremely successful, because nothing extinguishes creativity with more fanfare than fame.”

Eine Sache, die mich an Wynton Marsalis und seinen Musikern begeistert, ist ihr unglaublich nuanciertes Spiel; der fein ausdifferenzierte Sound dieses Ensembles ist eher das Gegenteil vom landläufigen Rocksound, wo es auf den gezielten Wumms ankommt. Beim ersten Stück der CD, dem Klassiker “Ice Cream”, hat Clapton Probleme, sich in das feinmechanische Spiel dieses Ensembles einzugliedern und ist kaum zu hören. Beim zweiten ist es umgekehrt: Howlin’ Wolfs “Fourty-Four” dröhnt er mit seiner Gitarre zu, so dass Marsalis und seine Leute stolpern, statt zu swingen.

Von da an funktioniert’s. Das dritte Stück, W.C. Handy’s “Joe Turner’s Blues”, inszeniert das Ensemble als hypnotischen Trauermarsch, in dem allein der Dummer voran marschiert, während sich die Instrumente acht Minuten lang umschleichen. In der Folge begeistern vor allem die langsamen Stücke wie “Careless Love” und “The Last Time” — hier spielen Marsalis und seine Leute besonders gefühlvoll und spornen dadurch Clapton an, es ihnen gleich zu tun. Höhepunkt der Platte ist für mich die zwölfminütige Version des Spirituals “Just A Closer Walk With Thee”, die getragen beginnt und dann zu einer Second-Line-Parade in New-Orleans-Tradition gesteigert wird. Da ist dann Clapton auf einmal nicht mehr der Gitarrengott, sondern Teil einer fantastischen Band, in der die Musik mehr zählt als Image und Ego. Ich denke, das dürfte ihm gefallen haben.

Nicht auf der CD enthalten ist übrigens die charmante Rede, die Clapton vor “Layla” hält, und in der er bekennt, wie viel Respekt er vor Marsalis und seiner Band hatte:

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Johannes Waechter, 1969 geboren, stammt aus Berlin und war Mitte der Neunziger Musikredakteur der Berliner Stadtzeitschrift Zitty. Seit 1999 ist er Redakteur beim SZ-Magazin, wo er in den Jahren 2005 und 2006 zusammen mit Philipp Oehmke die Süddeutsche Zeitung Diskothek herausgegeben hat, eine 52-bändige Buch/CD-Reihe zur Geschichte der Popmusik. In diesem Blog geht es nicht nur um das derzeitige Popgeschehen, sondern vor allem um den großen Zusammenhang zwischen vergangener und aktueller Musik, inspiriert von Bob Dylans Worten: “It’s always good to know what went down before you, because if you know the past, you can control the future”.