PHIL SPECTOR: TRAGISCHER POP-WIZARD
In die Schlagzeilen geriet Phil Spector zuletzt im Jahr 2009, als er in Los Angeles wegen Mordes zu 19 Jahren Haft verurteilt wurde. Berühmt aber war er bereits ein halbes Jahrhundert zuvor als Erfinder des legendären „Wall Of Sound“ geworden.
von Ernst Hofacker
3. Februar 2003: Wie ein Lauffeuer verbreitet sich die Nachricht, dass die Schauspielerin Lana Clarkson am Morgen jenes Wintertages in Phil Spectors Anwesen Pyrenees Castle in Alhambra, Kalifornien, tot aufgefunden wurde. Todesursache: Ein Schuss in den Mund. Dringend tatverdächtig: der Hausherr. Es ist das traurige Ende von der Legende des Phil Spector, des wohl berühmtesten Musikproduzenten aller Zeiten.
Bereits 1958, da war der Junge aus der New Yorker Bronx gerade 18 Jahre alt, hatte er seinen ersten Hit gelandet. Die Textzeile „To Know Him Is To Love Him“ hatte er der Grabinschrift seines Vaters entnommen, das Lied, das er mit seiner Gruppe The Teddybears daraus gemacht hatte, schaffte es bis auf Platz eins der US-Charts. Für den ehrgeizigen Spector war es die Eintrittskarte ins Musikbusiness. Er machte was daraus – allerdings nicht am Mikrophon, sondern hinter der Scheibe des Aufnahmestudios. Innerhalb von wenigen Jahren wurde er zum ersten Popstar der Produzentengilde. Zunutze machte er sich dabei den Umstand, dass die Aufnahmetechnik seit dem Ende der 1940er Jahre einen ungeheuren Schritt vorwärts gemacht hatte. Mit der allmählichen Etablierung des Magnettonbandes war es möglich geworden, Aufnahmen übereinander zu schichten und auf diese Weise gewaltige Klangwände zu errichten. Bei den Sessions seiner Schützlinge türmte Spector mehrere Schlagzeuge aufeinander, machte exzessiven Gebrauch vom Halleffekt und zuckerte all das mit ganzen Hundertschaften von Streichern. Das Resultat war ein einzigartiger Sound und eine ebenso einzigartige Hitserie, aus der Singles wie „Be My Baby“ von den Ronettes, „He’s A Rebel“ von den Crystals und das bombastische „You’ve Lost That Lovin’ Feelin’“ der Righteous Brothers herausragten – alle versehen mit Spectors bald sprichwörtlichem „Wall Of Sound“. Seinen Höhepunkt erreichte der Mischpult-Wizard mit Ike & Tina Turners legendärem „River Deep, Mountain High“ aus dem Jahr 1966.
Danach trat Spector – noch keine dreißig, aber längst ein exzentrischer Dollarmillionär – nur noch gelegentlich in Erscheinung, etwa, als ihm die Beatles 1970 den Auftrag erteilten, aus dem halb fertig produzierten Material der „Let It Be“-Sessions ein Album zu mischen. Oder als er 1977 mit dem kanadischen Songpoeten Leonard Cohen das Album „Death Of A Ladies’ Man“ und 1980 mit den Ramones deren „End Of The Century“ aufnahm. Ansonsten aber, so war zu hören, driftete Mr. Spector zusehend ab, fuchtelte im Studio mit Schusswaffen herum, schlug seine Frau krankenhausreif und verlor sich in Drogeneskapaden.
2003 dann der endgültige Absturz: Nach einem nächtlichen Clubbesuch nimmt Spector die wenig beschäftigte Schauspielerin Lana Clarkson mit zu sich nach Hause. Dort geraten die beiden in einen Streit, Spector dreht durch und schießt. Es folgen zwei aufsehenerregende Prozesse. Im April 2009 wird der Urvater aller Hip-Produzenten von einem Geschworenengericht in Los Angeles des Mordes schuldig gesprochen und zu 19 Jahren Haft verurteilt.
Ab 13. September ist der Phil-Spector-Katalog aus den sechziger Jahren wieder komplett erhältlich, darunter das legendäre Weihnachtsalbum „A Christmas Gift For You“ von 1963. Besonderes Highlight: die 7-CD-Box „The Philles Album Collection“ mit sechs Originalalben plus einem Silberling mit seltenem Bonusmaterial.