JUDAS PRIEST: FAREWELL, ROB & CO.!
Für zwei weitere Konzerte gastiert die britische Metal-Legende Judas Priest im Rahmen ihrer Abschieds-Welttournee auch in Deutschland. Ein Blick zurück auf 40 Jahre Rock’n’Metal.
von Ernst Hofacker
Das erste von ihren vier Jahrzehnten verbrachte die Band, die sich nach einem Bob-Dylan-Song benannt hatte, weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Ihr erstes Konzert gaben Judas Priest aus dem englischen Birmingham 1971, damals noch eine hoffnungsvolle Bluesrockband. Was sich bald ändern sollte. Mitte der 1970er Jahre hatte sich die Besetzung konsolidiert, die fortan Furore machen sollte: Rob Halford stand am Mikrophon, die Gitarren bedienten K. K. Downing und Glenn Tipton, Ian Hill spielte Bass. Nur hinter dem Schlagzeug sollten in Zukunft öfter mal Wechsel stattfinden.
Das Debütalbum war noch deutlich dem klassischen Bluesrock verpflichtet, ab „Sad Wings Of Destiny“ aber hatten Judas Priest sich und ihre Bestimmung gefunden – sie wurden nun zur neben Black Sabbath einflussreichsten Band des britischen 70’s Metal. Drei weitere Alben sollten bis zum Ende der Dekade folgen, endgültig aber platzte der Knoten mit „British Steel“, Album Nummer sechs wurde zum lautstarken Startschuss der „New Wave Of British Heavy Metal“. Es war einer von diesen seltenen Fällen, wo die richtige Band zur richtigen Zeit den richtigen Ton anschlug und damit urplötzlich den Nerv eines Massenpublikums traf. „British Steel“ kombinierte den düsteren Metal von Black Sabbath mit der Aggressivität des Punk und der kompromisslosen Härte von Led Zeppelin, dazu warfen Downing und Tipton ihre sorgsam ausgearbeiteten Twin-Guitar-Attacken in die Waagschale. Mit „Breaking The Law“ und „Living After Midnight“ warf dieses epochale Album gleich zwei Charts-Hits ab, Platin in den USA folgte.
In den 1980ern zählten Judas Priest denn auch zur handverlesene Elite der harten Rockzunft, Millionenabsätze ihrer Alben und ausverkaufte Welttourneen gehörten zur Tagesordnung. Gegen Ende des Jahrzehnts aber schienen die Briten den Kontakt zur aktuellen Entwicklung des Genres verloren zu haben, Thrash-Bands wie Metallica überflügelten die alten Haudegen nun in der Publikumsgunst. Frontmann Rob Halford zog in den frühen 1990er Jahren die Konsequenzen und verließ Judas Priest, die nun mit dem neuen Leadsänger Tim „Ripper“ Owens versuchten, an alte Erfolge anzuknüpfen. Mehr schlecht als recht, wie sich zeigen sollte. Aber auch Halford kam nicht wirklich auf einen grünen Zweig.
Zu Beginn der 2000er Jahre geschah, was geschen musste. Anlässlich der Arbeit an der Karriere-Retrospektive „Metalogy“ (2004) tat sich Halford wieder mit seinen Ex-Kollegen zusammen. Das Comeback-Album „Angel Of Retribution“ (2005) überzeugte mit alten Tugenden, das ambitionierte Konzeptwerk „Nostradamus“ (2008) folgte, und prompt fanden sich Judas Priest als gefeierte Headliner der großen amerikanischen und europäischen Festivals wieder. Für Schlagzeilen sorgte im April 2011 K. K. Downing, der die Band nach mehr als 40 Jahren gemeinsamer Arbeit aufgrund von Differenzen verließ und seine Teilnahme an der bevorstehenden „Epitaph“-Welttournee absagte. Seinen Job übernahm der 31-jährige Londoner Richie Faulkner.
Ende gut, alles gut – dabei ist es noch nicht mal das Ende, denn auf ihrer Website haben Halford & Co. unmissverständlich wissen lassen, dass es sich bei der aktuellen „Epitaph World Tour“ ausschließlich um den Abschied von der großen Tourneebühne handelt. Zu besonderen Anlässen will die Band weiterhin live rocken und neue Plattenaufnahmen sind ebenfalls nicht ausgeschlossen. Ein Besuch beim diesjährigen Wacken Open Air (5.8.) oder in der O2 World in Berlin (9.8.) kann trotzdem nicht schaden – denn britischer Stahl kommt live noch immer am besten.
Und natürlich auf den klassischen Platten der Birminghamer. Zu hören beispielsweise auf dem wunderschönen Boxset „Single Cuts“, das jetzt schon über die Band-Website bestellbar ist sowie im Oktober auch in die Läden kommt: 20 CDs sämtlicher Priest-Singles aus der englischen Columbia/CBS-Phase von 1977 bis 1992.