BOB DYLAN IN HAMBURG
Bob Dylan am 26.06.2011 in Hamburg- Spielfreude, Krächzen und kleine Überraschungen
Lange hatte man auf diesen Junitag gewartet, als Fan der späteren Stunde kannte man die Diskussionen und enttäuschten Beschwerden über Dylan’s zerkratzte Stimme und die miese Laune, die dem Publikum bisweilen bei seinen guten und schlechten Auftritten entgegen rollte. Um einer falschen Erwartungshaltung beizukommen, informierte man sich intensiv und gewöhnte sich an den Gedanken, dass der Dylan der 60er heutzutage auf der Bühne nun mal nicht ohne Altersgepäck erscheinen wird. Was letztendlich blieb und zählte war die Euphorie und die Vorfreude darauf, nach 50 Jahren Bühnenerfahrung Dylan noch live erleben zu dürfen, obwohl selbst zur Zeit seiner ersten großen Erfolge gerade mal die eigenen Eltern die Welt betraten. So wurde selbstverständlich die Reise nach Hamburg angetreten und der Spielort im großen Hamburger Stadtpark erwies sich bei dem schönem Wetter als idealer Aufenthaltsort, um die Stunden vor dem Konzert in Gesellschaft zu verbringen und vor dem Eingang der Freilichtbühne in der Gaststätte nebenan schon einmal dem bluesig-brummigen Soundcheck zu lauschen.
Perfekt eingestimmt ging es dann ans ungeduldige Warten vor den Toren, die man für gute Stehplätze am besten ziemlich zeitig anpeilt. Alternativ boten sich auch die Grünflächen vor dem Eingang an, um auch ohne Ticket, dafür aber mit Bier und Abendbrot am Konzert teilzuhaben. Viertel acht ist es dann soweit, eine Vorband gibt’s nicht, dafür aber Dylan´s Musiker in grauen Anzügen, die alt bewährte Columbia Records Artist- Ankündigung, nach der der Herr selbst dann endlich auf die Bühne kommt. Das altersmäßig bunt durchmischte Publikum horcht auf und zieht bald mit. Beim unerwarteten Opener „Leopard Skin Pillbox Hat“ geht es gleich zur Sache, auch wenn Dylan sich stimmlich fast übernimmt. Freude auch darüber, dass der Gute noch nicht am Krückstock geht und noch wahre Spielfreude an der Orgel aufblitzen lässt. Nach dem zweiten Stück „Don´t think twice it´s alright“ und „I don´t Believe You (She acts like we´ve never met)“ aus ganz frühen Jahren hat Dylan das Publikum bereits für sich gewonnen, die Songauswahl für die Setlist begeistert und das harmonische Zusammenspiel zwischen Dylan und seinen Musikern macht sowohl dem Publikum als auch der Band sichtlichen Spaß. An der kratzigen Stimme und den Neuinterpretationen seiner eigenen Songs wird sich nicht gestört, gehören doch Ungeschliffenheit, Intensität und permanente Neuerfindung zum bisherigen Werk Dylan´s dazu. Deswegen knattert und krächzt es nun Song für Song erst recht, weshalb die zarteren und souligeren Töne, die Dylan wohl akzentuiert einstreut umso mehr für Überraschung sorgen. Mit gewippt und immer wieder zwischenapplaudiert wird deswegen also trotzdem und neuere Songs wie „Thunder on the Mountain“ und „Beyond here lies Nothing“ entwickeln sich zu stimmungsreichen Höhepunkten, zumal die Band es sich nicht nehmen lässt, zwischendrin und hintenraus noch ordentlich Gitarre und Orgel dazu jammen zu lassen, damit die musikalische Schrägheit von Dylans Orgel und die bluesigen Soli der Gitarre auch bis zum Schluss ausgereizt werden können. Dylan, im schwarzen Anzug und Hut, ist gut aufgelegt und lässt das Publikum und Band spüren.
Mit „Tangled up in Blue“, „Cold Irons Bound“ und „Ballad of a Thin Man“ ergeben sich Höhepunkte, die dem Meister am Ende sogar ein Lächeln und ein paar Worte entlocken können. Für „Ballad of a Thin Man“ lässt er seine Entertainerfähigkeiten spielen und geht mit mystischem Hall in der Stimme und Schalk im Nacken auf Tuchfühlung mit dem Publikum, wenn auch gewohnt subtil. Aber nicht nur am Mikro und an der Orgel, auch an der Mundharmonika und einmal an der Gitarre darf man Dylan erleben, wobei das Publikum bei der Zugabe mit „All Along the Watchtower“ nach erstem Anlauf leider auf das großartige Riff verzichten muss, weil Dylan sich dann doch lieber wieder seiner Orgel zuwendet. Nach 5 minütigem Beifall gibt’s dann auch noch „Like a Rolling Stone“ und nach Hause geschickt wird man mit utopischen und altersweisen Gedanken aus dem schönen „Forever Young“. Weil Dylan Spaß hatte, hatte man ihn selbst auch und verzeiht ihm deshalb, dass die 17 Songs allzu schnell verklungen sind. Glücklich nach Hause geht man allemal, hat man den Meister doch bei bestem Wetter und angenehmer, fast intimer Publikumsatmosphäre gemeinsam erleben dürfen. P.D.
Das Team von Legacy-Club.de bedankt sich herzlichst bei dem Gewinner des HP’s Dylan Corner Gewinnspiels “hobo86” für diesen tollen Erfahrungsbericht. Wir haben uns sehr darüber gefreut!