Apr
15
2011

JIMI HENDRIX & BAND OF GYPSYS: Später Höhepunkt

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Es war so etwas wie ein Schritt zurück in die Zukunft: Als Jimi Hendrix zum Jahreswechsel 1969/70 mit der neu formierten Band Of Gypsys die Bühne des Fillmore East betrat, kehrte er zurück zu seinen Wurzeln und fand neue Perspektiven.

Text: Ernst Hofacker

Band_Of_GypsysVom wilden Mann des Pop war nicht viel übrig: Als Jimi Hendrix Silvester 1969 und am darauffolgenden Neujahrsabend auf der Bühne des Fillmore East in New York stand, tat er das für seine Verhältnisse ruhig und zurückhaltend. Fast bewegungslos verharrte er während des Konzerts an seinem Stammplatz auf der rechten Bühnenseite – versunken im Zwiegespräch mit sich, seiner Gitarre und seinen beiden Mitmusikern. Ein Bild, das symbolisch steht für diesen kurzen, aber so hoffnungsvollen Moment in seiner Karriere: Es ging um die Musik, sonst nichts. Nicht den omnipotenten Gitarrenmagier, nicht Jimi Superstar, nicht den exzessiven Hippie-Messias, der noch ein halbes Jahr zuvor, in Woodstock, öffentlichkeitswirksam das „Star Spangled Banner“ zerfetzt hatte.

Nach den enormen Erfolgen, die die Jimi Hendrix Experience mit ihrem psychedelisch aufgepumpten Space Blues beim weißen Publikum gefeiert hatte, war Hendrix ausgelaugt. Und er suchte nach Orientierung. Er fand sie bei seinen Anfängen. Statt mit Mitch Mitchell und Noel Redding jammte er nun mit Bassist Billy Cox, einem alten Freund, mit dem er schon gemeinsam bei der US Army gedient hatte. Hinterm Schlagzeug saß mit Buddy Miles jetzt ebenfalls ein Kumpel aus alten Chitlin-Circuit-Tagen. Die beiden Afroamerikaner gingen deutlich bodenständiger und mit mehr Funk zu Werke als die Experience. So holten sie Hendrix zurück in die schwarzen Arme des Blues, erdeten ihn verlässlich und ließen ihn mit seiner Gitarre tief graben in der Erde, die einst Robert Johnson, Jimmy Reed und Little Richard beackert hatten.

Band Of Gypsys (1970) wurde zum letzten großen Showcase, zum Vermächtnis des Gitarristen Hendrix. Glanzlichter wie das zwölfminütige „Machine Gun“ oder die Miles-Komposition „Changes“ zeigen noch einmal, wie tief Jimi in der schwarzen Musik verwurzelt war und was er mit seinen außergewöhnlichen Fähigkeiten als Gitarrist mit diesem Erbe anzufangen wusste.

Power_Of_SoulDass er während der Fillmore-Shows auf Showeinlagen fast völlig verzichtete, konnten Plattenhörer damals nicht sehen. Heute ist dies möglich: auf der wiederveröffentlichten DVD Jimi Hendrix: Band Of Gypsys (Live At Fillmore East). Sie zeigt nicht nur eine gute Stunde des damals in Schwarzweiß gefilmten Live-Materials, sie gibt in einer anderthalbstündigen, Grammy-gekrönten Filmdokumentation vor allem auch faszinierende Einblicke in diese Spätphase von Hendrix’ Karriere, kommentiert von seinen Mitstreitern Mitch Mitchell, Noel Redding, Buddy Miles, Billy Cox und Toningenieur Eddie Kramer sowie zeitgenössischen Kollegen wie Lenny Kravitz, Vernon Reid und Slash.

Mehr Stoff für Hendrix-Aficionados: South Saturn Delta, eine der besten postum veröffentlichten Zusammenstellungen von zum Teil bis dahin unveröffentlichtem Hendrix-Material, sowie Power Of Soul: A Tribute To Jimi Hendrix mit Jimis Songs in den Interpretationen so unterschiedlicher Künstler wie Chaka Khan, Sting, Prince, Santana, John Lee Hooker u. a.