ROD STEWART UND DAS BESTE DES GREAT AMERICAN SONGBOOK
Fünf Alben hat Rod Stewart inzwischen mit Klassikern des Great American Songbook bestückt – Zeit, die Essenz zu sichten. Nun erscheint mit „The Best Of The Great American Songbook“ ein Album, auf dem seine schönsten Interpretationen amerikanischer Songklassiker der Prä-Rock-Ära versammelt sind.
von Ernst Hofacker
Seit mehr als vier Jahrzehnten ist der Schotte mit der Reibeisenstimme im Geschäft. Wobei der passionierte Blondinensammler der weltweiten Rockgemeinde immer wieder Freude gemacht – ob als Frontmann der legendären Faces, als rüpeliger Lad mit Hits wie „Maggie May“ und „Hot Legs“ oder als hochklassiger Interpret von Fremdmaterial („Street Fighting Man“ von den Rolling Stones, „Girl From The North Country“ von Bob Dylan). Allerdings: Verärgert hat er viele Rockfans über die Jahre immer wieder mit seinem Hang zu seichteren Gefilden. Es war nicht jedermanns Sache, wenn er mal wieder, das Champagnerglas in der einen, die neueste Eroberung in der anderen Hand, einen Schmachtfetzen wie „Sailing“ zum besten gab.
Wenig erstaunlich, dass Stewarts erster Ausflug ins Crooner-Fach, veröffentlicht 2002 unter dem Titel „It Had To Be You: The Great American Songbook“, denn auch kontrovers aufgenommen wurde. Zu diesem Zeitpunkt allerdings erwartete kaum jemand noch aufregende künstlerische Statements von Rod Stewart, dessen Karriere nach einer Reihe mehr oder weniger belangloser Alben in den neunziger Jahren unauffällig auf dem Weg in den verdienten kalifornischen Ruhestand schien.
„The Great American Songbook“, entstanden unter den Fittichen von Branchenlegende Clive Davies, geriet zum Überraschungscoup, verkaufte sich weltweit wie geschnitten Brot und revitalisierte Stewarts Karriere. Weitere vier Alben sind inzwischen dabei herausgekommen. Und alle variieren das Erfolgskonzept des ersten: ein rundes Dutzend gut abgehangener Songklassiker aus der Zeit vor Rock & Soul, geschrieben von Edelfedern wie Gershwin, Ellington, Cole Porter und Hoagy Carmichael, wertebewusst und konservativ arrangiert und gesungen von dieser nach wie vor einzigartigen Stimme. Ein narrensicheres Konzept, das Stewart auf seine alten Tage wieder an die Spitze der US-Charts brachte und ihm eine kaum noch für möglich gehaltene künstlerische Perspektive eröffnete: erwachsenes Entertainment statt ewiger Rocker-Pose.
In ähnlichem Stil hat Rod Stewart im abgelaufenen Jahrzehnt nicht nur fünf Mal das American Songbook, sondern auch die Liederfibeln des Rock („Still The Same… Great Rock Classics Of Our Time“) und des Soul („Soulbook“) abgeklappert. Kritiker mögen monieren, dass all dies emotionslos vor sich hin plätschert – der unbestreitbare Erfolg des neuen Kurses allerdings gibt ihm recht. Maggie May ist schließlich auch nicht mehr die Jüngste, und good ol’ Rod ist am 10. Januar auch schon 65 geworden.
- › Jetzt Kaufen:
Zum Autor: Ernst Hofacker, Jahrgang 1957, hat als Redakteur unter anderem bei BRAVO, MUSIKEXPRESS und ROLLING STONE gearbeitet. Als Chefredakteur leitete er das Themenmagazin SOUNDS, im Frühling 2010 übernahm er GUITAR DREAMS. Gesprochen hat Hofacker im Laufe der Jahre mit Größen wie Ray Davies und Keith Richards. Dazu hat er diverse Bücher veröffentlicht, darunter das Standardwerk „Confessin’ The Blues – die Musik der Rolling Stones 1963-2010“. Im Frühjahr erscheint „Legenden – 25 Rockmusiker im Porträt“.