NEIL DIAMOND: DER STILLE RIESE
Happy birthday, Neil! Am 24. Januar wird einer der letzten großen amerikanischen Songwriter 70 Jahre alt. Sony ehrt Neil Diamond mit einer Blu-ray-Ausgabe seines letztjährigen Konzertmitschnitts „Hot August Night“.
von Ernst Hofacker
Er ist neben Burt Bacharach der vielleicht letzte große Vertreter der klassichen amerikanischen Songwriterschule. Schon Neil Diamonds erster Arbeitsplatz als Vertragskomponist für den Musikverlag Aldon Music befand sich im berühmten Brill Building, 1619 Broadway. Dort gingen seit der Swing-Ära in den dreißiger Jahren die Besten der Besten ein und aus, darunter Burt Bacharach, Doc Pomus, Bert Berns und Jerry Leiber & Mike Stoller. Sie alle schrieben am Great American Songbook mit, und Neil Diamond hat seinen Teil dazu beigetragen.
Zu den Lauten seiner Branche gehörte er nie, dennoch wurde er einer ihrer Giganten. Als er zu Beginn der sechziger Jahre seine ersten Schritte im Showbiz unternahm, rockten die Beatles noch die Reeperbahn und JFK war US-Präsident. Diamond, als Spross einer polnisch-russischer Einwandererfamilie jüdischen Glaubens geboren im New Yorker Stadtteil Brooklyn, hatte als Jugendlicher schon mit der ein Jahr jüngeren Barbra Streisand im Chor gesungen. Eigentlich wollte er Biologe werden. Ein Musikverlag aber bot dem jungen Mann 50 Dollar die Woche – ein Angebot, dem er nicht widerstehen konnte. Die Weichen waren gestellt. Erste Aufnahmen unter eigenem Namen floppten zwar, aber ab 1965 landete Neil einen Treffer nach dem anderen. Der bekannteste: „I’m A Believer“ für die Monkees, ein weiterer hieß „A Little Bit Me, A Little Bit You“. Lulu sang sein „The Boat That I Row“, Deep Purple coverten „Kentucky Woman“, und Elvis adelte Diamonds „Sweet Caroline“. Gegen Ende des Jahrzehnts trat Neil selbst ins Rampenlicht – und blieb. Mit frühen Hits wie „Cracklin’ Rosie“, „I Am … I Said“ und „Song Sung Blue“ schuf sich der introvertierte Mann aus Brooklyn eine weltweite Fangemeinde. Seine eindrucksvolle Bühnenpräsenz dokumentierte er zum ersten Mal auf dem 1972er-Livealbum Hot August Night. Was sozusagen zur Gewohnheit wurde: 1987 erschien mit Hot August Night II ein neuerlicher Konzertmitschnitt, und im letzten Jahr kam mit Hot August Night/NYC die dritte Ausgabe hinzu, diesmal aufgenommen im Madison Square Garden während Diamonds umjubelter Welttournee 2008 (und ab 05.3. als Bu-ray erhältlich).
In den achtziger und neunziger Jahren war es relativ still um den sanften Troubadour geworden, 2005 aber legte er ein kaum noch erwartetes Comeback hin: Unter der Regie seines neuen Produzenten Rick Rubin spielte er das großartige Spätwerk 12 Songs ein, 2008 folgte mit dem nicht minder grandiosen Home Before Dark die Fortsetzung dieser Zusammenarbeit, in den USA tatsächlich das erste Nr.1-Album in seiner langen Karriere. Längst überfällig also seine nun bevorstehende Aufnahme in die Rock’n’Hall Of Fame. Im Interview mit dem amerikanischen Rolling Stone kommentierte er bescheiden wie immer: „In jedem Club, wo Chuck Berry, Little Richard und die Everly Brothers Mitglied sind, bin ich gerne dabei!“