Von Fischen und Schuhen: die unentdeckten Santana-Werke
Sein neues Album „Corazón“ erfreut sich großer Aufmerksamkeit – die Karriere des Weltstars Carlos Santana jedoch verlief wechselhaft. So finden sich bis heute unentdeckte Schätzchen in seinem Repertoire.
von Ernst Hofacker
Immer schon vertraute Carlos Santana lieber seiner Inspiration als kühlem Marktkalkül. Nicht umsonst hat er einmal gesagt: „Gehirnmusik ist meine Sache nicht. Die schmeckt wie ein Essen bei McDonald’s, jedes Mal gleich. Herzmusik dagegen ist wie Angeln: Du weißt nie, ob du als nächstes einen Fisch fängst oder einen Schuh.“
Vom Hippie zum Jazzer
In seiner langen Karriere hat Santana jede Menge dicke Fische an Land gezogen, aber auch so manchen Schuh gefangen. Nicht alle seine Werke – sowohl die mit der nach ihm benannten Band als auch die Soloalben – trafen auf die Gegenliebe der Fans und der Kritik. So verschreckte Santana das eben erst eroberte Hippiepublikum der frühen 1970er Jahre schnell wieder, als sich seine Band mit „Welcome“ (1973) und „Borboletta“ (1974) dem Jazz zuwandte und Carlos auf „Illuminations“ (1974) mit der Pianistin und John-Coltrane-Witwe Alice Coltrane zusammenarbeitete.
Später dann besann sich der Gitarrist auf seine lateinamerikanisch geprägte Erfolgsformel, peppte sie mit funk- und discotauglichen Elementen auf und landete gar wieder Hits, etwa „Dance Sister Dance“, „She’s Not There“ und „One Chain (Don’t Make No Prison)“. Die Kritik jedoch warf ihm fehlende Ideen und kommerziellen Ausverkauf vor. In den 1980er Jahren geriet Santana zusehends ins Abseits, mit Soloarbeiten wie dem rocklastigen „Havana Moon“ (1983) sowie dem Grammy-gekrönten „Blues For Salvador“ (1987) konnte er verlorenes Renommee zurückgewinnen. Dennoch feierte der Meister nun höchstens noch als Gaststar Erfolge, etwa als er 1989 mit seinem Spiel John Lee Hookers legendäres Comeback-Album „The Healer“ veredelte.
Als Clive Davis, Mentor, Freund und alter Showbiz-Hase, Carlos Santana Ende der 1990er Jahre unter seine Fittiche nahm und ihm ein kommerziell wie auch künstlerisch zeitgemäßes Konzept auf den Leib schneiderte, gelang dem legendären Gitarristen ein triumphales Comeback. Durch „Supernatural“ (1999) und Hits wie „Smooth“ und „Maria Maria“ entdeckte eine nachgewachsene Generation den Mann aus dem mexikanischen Autlan wieder. Bis heute zählt der nunmehr 66-jährige Veteran zur handverlesenen Elite der US-Musikszene.
Soeben ist mit „Corazón“ Santanas 22. Studioalbum erschienen. Es zelebriert vor allem die musikalischen Wurzeln des Gitarristen, die in lateinamerikanischen Stilen wie Chicano, Salsa und Merengue liegen. Zu hören sind diverse Gaststars, darunter Juanes, Gloria Estefan, Los Fabulosos Cadillacs, Ziggy Marley, Wayne Shorter und Santana-Gattin Cindy Blackman.
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