SCHATZ GEHOBEN: JANIS JOPLIN & BIG BROTHER LIVE!
Glücksfall für Rock-Archäologen und Fans der Flower-Power-Ära: Am 9. März veröffentlicht Sony Legacy erstmals einen hochklassigen Live-Mitschnitt von Janis Joplin und Big Brother And The Holding Company aus dem Jahr 1968 in Carousel Ballroom in San Francisco.
von Ernst Hofacker
„If you’re going to San Francisco be sure to wear some flowers in your hair“. Zwar trug die von Scott McKenzies so romantisch besungene Bay-Area-Szene auch im Jahr 1968 noch Blumen im Haar, ihren Zenit aber hatte sie da bereits überschritten. Spätestens ab Ende 1967 hatte sie begonnen, unter dem Einfluss von zu vielen Drogen und zu vielen halbwüchsigen Drop-Outs zu zerfasern. Die Underground-Kultur der Stadt indes war auch im Sommer jenes Jahres noch lebendig und kreativ wie eh. Namentlich die großen Bands jener Tage, darunter Grateful Dead, Jefferson Airplane, Quicksilver Messenger Service – und Big Brother And The Holding Company mit ihrer Sängerin Janis Joplin.
Letztere hatten im Vorjahr beim Monterey Pop Festival ihren großen Durchbruch geschafft, inzwischen ihr Debütalbum veröffentlicht und im Mai 1968 die Aufnahmen zu ihrem zweiten Album, „Cheap Thrills“, einem Klassiker jener Ära, beendet. Kurz: Big Brother waren, wie die Amerikaner sagen, „at the top of their game“.
Am 22./23. Juni trat die Band in San Franciscos Carousel Ballroom auf, einem etwas runtergekommenen Konzertsaal, in dem während der Swing-Ära Big Bands gespielt hatten, der aber nun unter der Leitung eines rührigen Hippie-Kollektiv neben dem Winterland und dem Avalon Ballroom eine der wichtigsten Live-Locations der Stadt geworden war. Nicht nur waren BB und Joplin an jenen Abenden in bestechender Form, auch saß am Mischpult eine Schlüsselfigur der Frisco-Szene: Owsley „Bear“ Stanley“ war Soundmann bei Grateful Dead und ein Pionier in Sachen Beschallungstechnologie. Für seine Schützlinge hatte er bereits eine Bühnenanlage entwickelt, um die sie der Rest der Rockwelt beneidete, nicht umsonst galt der Dead-Livesound als das Maß der Dinge. P.A.s, wie wir sie heute kennen, gab es damals nicht. Erst zwei Jahre zuvor hatten die Beatles die Live-Spielerei drangegeben, frustriert dass sie sich nicht mal selbst auf der Bühne hören konnten. Owsley nun war einer der Ersten, die sich daran machten, taugliche Bühnensysteme zu entwickeln.
Und auch bei den Konzerten von Big Brother leistete er ganze Arbeit. „Live At The Carousel Ballroom 1968“ gehört zu den beeindruckendsten und transparentesten Live-Mitschnitten, die überhaupt in jener klassischen Phase der Rockmusik entstanden. Nicht nur technisch, auch künstlerisch überzeugt das Album. Es zeigt Big Brother als gereiftes Ensemble, das die Balance zwischen unbändiger Energie und spontaner Improvisation einerseits sowie Formbewusstsein und Teamgeist andererseits deutlich souveräner meistert als noch ein Jahr zuvor. Joplin selbst fühlt sich auf der Bühne hörbar wohl und zieht sämtliche Register, die sie zur wohl größten weißen Sängerin ihrer Zeit machten. Highlights des 14-Song-Packages: „Summertime“, „Piece Of My Heart“, „Down On Me“, „Ball & Chain“ und die intensive Session „Jam – I’m Mad (Mad Man Blues)“.
Wenige Monate später hatte sich Joplin von Big Brother getrennt und Impresario Bill Graham den Carousel Ballroom übernommen, den er anschließend als Fillmore West weiterführte. Owsley „Bear“ Stanley selbst betreute die Restauration dieses Live-Mitschnitts, bevor er am 12. März 2011 einem Verkehrsunfall zum Opfer fiel. Ihm zu Ehren hat Sony die Veröffentlichung von „Live At The Carousel Ballroom 1968“ in den USA auf seinen Todestag gelegt. Hierzulande erscheint das Album am 9. März.
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