Sep
14
2011

NILS PETTER MOLVAER: BABOON MOON

Nils

Eine Trompete, die das Eis der Pole und den glühenden Sand der Wüste einfangen kann. Der norwegische Trompeter Nils Petter Molvaer hat einen ureigenen Sound, der ebenso von skandinavischer Naturpoesie, wie von elektronischem Kalkül und nicht zuletzt von Trompetern wie Miles Davis und Jon Hassell geprägt ist. Vor allem aber hat Molvaer sich selbst. 

Molvaers neues Album „Baboon Moon“ ist der selbstbewusste Neubeginn eines Musikers, der einen langen Weg hinter sich hat. Er begann in den Bands von Jon Christensen und Arild Andersen, befreite sich jedoch immer mehr aus dem Jazz-Korsett. Die Reise begann 1997 mit seinem Album „Khmer“ und führte über viele Stationen, auf denen er verschiedene Grade der Abstraktion ausprobierte. Er experimentierte mit Musikern wie Bill Laswell, Sidsel Endresen und Eivind Aarset, umgab sich mit DJs und VJs, arbeitete aber auch solo. Stark blieb immer seine Bildsprache. Auf seinem letzten Album „Hamada“ polarisierte er zwischen ganz harmonischen und extrem brutalen Passsagen. Auf „Baboon Moon“ hingegen finden diese beiden Pole wieder zu einer Einheit.

Um an diesen Punkt zu gelangen, stellte er eine neue Band auf. Seine beiden Gespielen auf „Baboon Moon“ sind Seiteneinsteiger in den Jazz. Stian Westerhus gehört zu den innovativsten und mittlerweile auch gefragtesten Gitarristen Europas. Er spielt nicht nur bei der Postrock-Band Jaga Jazzist mit, sondern unterhält auch mit Motorpsycho-Drummer Kenneth Kapstad das Industrial-Improv-Duo Monolithic. Anfang Juli absolvierte er einen gefeierten Auftritt als zweiter Gitarrist von Motorpsycho. Für Westerhus ist die elektrische Gitarre nicht nur ein Instrument, sondern ein ganzes Orchester, ein kreatives Museum an physischen und spirituellen Möglichkeiten der elektrischen Tonerzeugung. Er manipuliert sein Instrument mit allen nur denkbaren Materialien und Effekten und erzeugt sogar undefinierbare Sounds, indem er in die Saiten schreit. Erland Dahlen hat sich als Trommler der norwegischen Psychoblues-Band Madrugada in die Herzen der Alternative-Rock-Fans gespielt. Dieses tiefe, erdige, aber auch progressive Blues-Feeling trug er erst zu Eivind Aarsets Sonic Codex Orchestra und nun in Molvaers Trio.

Wenn Molvaer seine neue Formation nun als die beste Band bezeichnet, die er jemals hatte, ist das weder eine Missachtung seiner früheren Mitstreiter noch eine marktschreierische Überbewertung seiner gegenwärtigen Spielsituation. Westerhus und Dahlen tragen den Trompeter an musikalische Orte, an denen er noch nie zuvor gewesen ist. Es gibt nach wie vor jene sphärischen Momente, die man von ihm kennt, aber die Band baut zugleich auch einen unglaublichen Druck auf, der sich gelegentlich in einer einzigen Eruption, manchmal aber auch in lang anhaltenden Gewittern entlädt. Improvisation ist ein wichtiger Faktor in der gemeinsamen Erschließung von Klanglandschaften, aber mit dem landläufigen Begriff von Jazz hat das endgültig nichts mehr zu tun. Molvaer nennt es freien, schwarzen Progrock.

Der größte Teil des Materials auf „Baboon Moon“ wurde in einer Art Klausur der drei Musiker live eingespielt. Die Produktion und Postproduktion legte Moalvaer diesmal in Westerhus’ Hände, um die neue Klangauffassung noch stärker herauszustellen.  Auf die für sein Solospiel charakteristischen Loops hat der nordische Klangmagier diesmal fast völlig verzichtet. Am Ende ist „Baboon Moon“ mehr denn je eine Kollektivleistung.