Jun
14
2011

HP’S DYLAN CORNER: MUSS ES BOB DYLAN SEIN?

img798

Warum muss es unbedingt dieser Bob Dylan sein? Ein sehr persönlicher Besinnungsaufsatz.

Text: Hanns Peter Bushoff

Angefangen hat alles ganz profan. Bei der Bilka. Die Bilka (das bil-lige Ka-ufhaus), neben Tschibo in der Münsteraner Salzstraße war für uns 14- bis 16-jährigen damals das Paradies. Hier gab es, anders als in den vielen Schallplattengeschäften der Stadt, deren Preise (Single 4 Mark 75, LP 19 DM) wir uns noch nicht leisten konnten, immer frisch gefüllte Grabbelkisten mit Single-Remittenden, eine Mark das Stück. Remittierte Handels-Singles oder ex-Jukebox-Singles, die bei uns immer auf reichlich Abnehmer stießen. Samstags nach der Schule ging es zum Lamberti-Brunnen in der Ludgeristraße, und gleich zwei Häuser weiter wurde dann auch regelmäßig nach Nachschub für die Plattensammlung gewühlt. An einem dieser Samstage im Herbst 1965 kaufte ich mir dort die CBS Single mit der Bestellnummer 1952, „Like A Rolling Stone“ von Bob Dylan. 1 Mark, mit Bildcover. Rückseiten-Werbung der CBS: Schlager aus dem Haus der Hits. Der Künstler war mir, wenn ich das richtig erinnere, noch gänzlich unbekannt. Was mich zu diesem Kauf verleitete, und jetzt wird es nochmal profan, war die Spieldauer: die A-Seite hatte eine Laufzeit von stolzen 6:00 Minuten, die B-Seite „Gates Of Eden“ spielte 5:48. Das Lied fand ich toll, aber toll fand ich auch all die anderen Singles von den Kinks, den Animals oder den McCoys, die ich ebenfalls aus dieser Kiste zog und in extenso auf meinem Dual 410 Koffergerät spielte, A- und B-Seiten natürlich. Wer dieser Bob Dylan war, davon wusste ich erstmal rein gar nichts. Ein wenig lernte ich dann aus der „Musikparade“ oder der „OK“, aber ehrlich gesagt,  jahrelang interessierten mich die Kinks und die Stones und die Spencer Davis Group und später Spooky Tooth und Pink Floyd mehr als der Mann aus Minnesota.

img797Bis mich um ca. 1971 ein Freund endgültig auf die Dylan-Spur brachte, und zwar mit (vermutlich) dem „Nashville Skyline“- oder dem „New Morning“Album. Und von da an ließ mich dieser eigenartige, so schwer fassbare Künstler nie mehr los.

Warum ausgerechnet dieser Bob Dylan, haben meine Eltern früher immer gefragt. Ich weiss es nicht. Either you get it or you don’t, – das Deuten und Erklären habe ich immer Anderen wie Michael Gray oder Heinrich Detering überlassen, die in ihren jeweiligen Sprachen essentielle Bücher über Dylan verfasst habe.

Dylan ist 2011 so wichtig und anerkannt wie niemals zuvor. Zum Siebzigsten vor ein paar Wochen gab es Titelgeschichten, und sogar Tom Buhrow gratulierte im Rolling Stone und in den Tagesthemen. Aber auch das muss gesagt werden: über den Dylan-Zugang kann man ein ganzes Universum der Populären Musik entdecken, vom Blues zum Rock’n’Roll zu Country zu Reggae zum Soul und zum Jazz, – bei mir war es zuletzt vor ein Tagen  die Entdeckung von Johnnie Ray’s wunderbarem 1951er Nummer-Eins-Hit „Cry“. Und genau das, was Dylan auch in den wenigen Jahren 2006-2009, in denen er für XM Radio seine „Theme Time Radio Hour“ gemacht hat, immer versucht hat zu vermitteln, ist es, weswegen wir Dylan neben seinen 600 Songs dankbar sein sollten.

DylanjpgAm 24. Mai feierte Bob Dylan, Gottvater aller Songwriter und legendärste aller Rock-Legenden, seinen 70. Geburtstag, ab 16. Juni ist er wieder mal in Europa auf seiner von den Fans so genannten Never Ending Tour. Legacy Club ehrt den Mann, der sich bis heute auf der Bühne als „Columbia recording artist“ ankündigen lässt, mit einer unregelmäßig erscheinenden Kolumne. Hanns Peter Bushoff, sturmerprobter Dylanologe und Inhaber eines ehrlich errungenem Doktortitels, führt die Feder – lesen Sie, was Sie schon immer (nicht) über den Bobster wissen wollten!